Eigentlich hatte ich vor, bei Gerald zu übernachten, doch plötzlich überfielen mich fürchterliche Vorahnungen. Was war, wenn insgeheim geplant worden war, Olivia auf keinen Fall nach der Neuen Medizin gesund werden zu lassen? Dr. Hamer hatte mir bereits von seinem Verdacht erzählt, dass vermutlich einige seiner Patienten kurzerhand z.B. mit Morphium umgebracht worden seien. Möglichkeiten hätte so ein Krankenhaus genügend. Eine Möglichkeit wäre über die Nahrung. Über Infusionen brauchten wir uns keine Kopfzerbrechen machen, diese würden ja nach der Neuen Medizin nicht erforderlich sein. Das gleiche galt für die Medikamente. Sollte das wirklich geplant sein und in Erwägung musste ich es nun ziehen, so könnte ich es folgendermaßen vereiteln. Wir müssten das Krankenhausessen verschwinden lassen, ohne dass dies bemerkt werden sollte. Das beste Essen für einen Krebskranken wäre sowieso Dinkelbrei, frisches Obst und Gemüse. Der Aufwand, dies zuzubereiten wäre nicht so groß
Ich fand keine Ruhe mehr. Gerald versorgte mich mit Dinkelgetreide, Obst, Gemüse, Säften und ein paar Milchprodukten vom Bauern, und ich brach sogleich auf. Zuerst fuhr ich nach Maiersdorf und räumte die überschüssigen Lebensmittel in den Vorratskeller. Anschließend fuhr ich zu Frau Dr. Rostovsky und besprach mit ihr meine Bedenken. Es war bereits früh am Morgen, als ich zu einem nächsten Termin eilte.
Gestern rief mich eine mysteriöse, aber anscheinend gut meinende Person an und erzählte mir von ihren geistigen Kräften, aber auch von möglichen Druckmitteln, die sie gegenüber gewissen, in der Öffentlichkeit stehenden Personen besitzen sollte. Mit dieser Frau Schor traf ich mich gegen 7:00 Uhr. Ihr Erscheinungsbild erinnerte mich an einen buddhistischen Mönch. Wir führten ein längeres Gespräch, und schließlich überredete sie mich, zu einem ihr bekannten Arzt mitzugehen, um diesen zu bitten, Olivia zu behandeln. Ihrer Überzeugung nach sollte dieser Arzt mutig und absolut korrekt vorgehen und wäre ein absolut fähiger Mediziner. Dieses Gespräch war aber mehr als enttäuschend. Als er meinen Namen erfuhr, war er sofort zugeknöpft. Wieso hatte ich mich auch überreden lassen, hierher zu kommen? Eigentlich sollte ich ja am schnellsten Weg zu Olivia fahren, stattdessen ließ ich mich hier unnötig aufhalten. Leicht verärgert über diesen Reinfall und über die an den Arzt zu bezahlenden 300 ÖS gingen wir wieder.
Frau Schor wollte unbedingt mit nach Tulln. Während der Fahrt erzählte sie, dass selbst Altbundeskanzler Kreisky wegen Nierenproblemen eine ausländische Klinik den österreichischen Kliniken vorgezogen hatte.
Als ich endlich in Tulln angekommen war, traf mich fast der Schlag! Überall waren Reporter, der Balkon zu Olivias Zimmer war mit Polizeimännern flankiert, die Balkontür war versperrt und durch das Fenster sah ich, dass Olivia an einer Infusion hing. Ich eilte über den Haupteingang, die Hintertür war verschlossen, in Olivias Zimmer und fand Erika völlig verstört vor. Was war passiert? Verunsichert erzählte Erika, dass Olivia während der Nacht schmerzstillende Medikamente verabreicht wurden und nun wegen ihrer körperlichen schwachen Verfassung an eine künstliche Ernährung angeschlossen worden war. Olivia hatte wieder wie im St. Anna-Kinderspital ein Ventil an der rechten Hand. Verantwortlich für diese Maßnahmen war Primar Dr. Vanura. Er hatte auch veranlasst, dass Fenster und Türen zum Krankenzimmer versperrt gehalten wurden. Wie in einer Gefängniszelle musste Erika, wenn sie das Zimmer verlassen wollte, rufen, dass ihr eine Schwester die Zimmertür aufsperrte. Herr Dr. Stangl hätte zu allem lediglich mit gesenktem Kopf zugestimmt.
Ich erkannte die Tragweite meines Fehlers, Olivia hierher zu bringen. Ich war außer mir. Wieso kann man uns nur so grausam hintergehen? Ich selbst hatte Erika noch eindringlich geraten, Dr. Stangl uneingeschränkt zu vertrauen. Wie hätte ich damit rechnen sollen, dass Dr. Stangl selbst wieder, wie vor zwei Jahren, unter den Druck der Schulmediziner geraten und somit unser entgegengebrachtes Vertrauen derart missbraucht werden könnte? Nach der Neuen Medizin wurde hier nicht vorgegangen, das war eindeutig. Ich suchte Primar Dr. Vanura und stellte ihn zur Rede.
Für mich war nichts von einem umsichtigen Arzt an ihm zu erkennen. Im Gegenteil. Er erklärte, er sei der verantwortliche Leiter und lasse sich von niemandem, auch nicht von Dr. Stangl oder Frau Dr. Rostovsky in seine Behandlung dreinreden. Olivia wäre unterernährt und hätte Schmerzen. Deshalb seine Maßnahmen. Außerdem hätte sie zuwenig rote Blutkörperchen, so dass eine Bluttransfusion vorbereitet werde. Und wann er mit der Chemo beginnen würde, wollte ich wissen? Dies könne er nicht ausschließen. Ich hätte kein Sorgerecht mehr und könne also auch nicht mitentscheiden.
Ohnmächtig vor Zorn und Enttäuschung rief ich Dr. Heinz Zimper an. Dieser erklärte mir auf ähnliche Weise, wie Primar Dr. Vanura, dass ich absolut nichts mehr mitzubestimmen habe. Ich brach in Tränen aus und musste mich im Garten auf die Wiese setzen, damit ich nicht umkippte.
Ich war wie gelähmt. Man hatte uns von Spanien mit Versprechungen und schriftlichen Zusagen nach Österreich gelockt. Man hatte mich überzeugt, Olivia nach Tulln zu bringen. In gutem Glauben habe ich Olivia selbst ins Tullner Spital gefahren! Und jetzt machten sie trotzdem die Therapie, vor der wir so große Angst hatten und der zu entgehen wir all diese Strapazen auf uns genommen hatten!
Olivia durfte nicht nach den Regeln der Neuen Medizin gesund werden! Das hätte die schulmedizinische Onkologie kurzerhand widerlegt! Dies durfte die Schulmedizin nicht zulassen!
Dr. Stangl traf in Tulln ein und versuchte, mit mir zu sprechen. Wir gingen auf den, wieder aufgesperrten Balkon hinaus, damit Olivia von unserem Gespräch nichts mitbekommen konnte. Da mich meine Füße nicht mehr tragen wollten, verbrachte ich die meiste Zeit während des Gespräches in der Hocke, an der Mauer lehnend.
Die erstellten CTs vom Vormittag hätten ergeben, dass die rechte Niere völlig zerfressen sei. Er erzählte von Heilungsvorgängen bei Patienten, die einfach zu stark waren, so dass der Patient schließlich an dieser Heilung starb. Auch bei Olivia sei ein derartig überschießender Heilungsprozess gegeben, und jetzt würde auch er für die Chemotherapie eintreten. Auch Dr. Hamer, so behauptete er weiters, würde unter bestimmten Umständen einer schulmedizinischen Bestrahlung zustimmen.
Ich war noch immer in Tränen aufgelöst, ganz langsam aber fing ich wieder an, klarer zu denken. Dr. Stangl hatte vor zwei Jahren Schlimmes durchmachen müssen, als er der Universität in Wien 120 von ihm überprüfte Fälle vorlegte und um Bestätigung der Neuen Medizin bat. Seine Kinder wurden anonym mit dem Tod bedroht. Er selbst wurde durch die Presse diffamiert, so dass er schließlich für Monate erkrankte. Dr. Stangl hatte oftmals in Zertifikaten die Richtigkeit der Neuen Medizin bestätigt und mich in Telefonaten von der brutalen Vorgehensweise dieser Mächtigen gewarnt. Erika sagte mir zuvor, er sei stumm mit hängendem Kopf bei Primar Dr. Vanuras Anweisungen dabeigestanden.
Die Niere sollte zerfressen sein? Mit einer zerfressenen Niere könnten doch die Harnwerte, die wir täglich dreimal mit Papierindikatoren kontrollierten, nicht in Ordnung gewesen sein! Sie waren es aber! Dr. Hamer soll für Radiobestrahlung sein? Niemals, da war ich mir hundertprozentig sicher. Dr. Stangl trat jetzt für die Chemo ein? Gestern noch hatte er diese ganz entschieden abgelehnt. Langsam fasste ich diese Ungeheuerlichkeit. Dr. Stangl stand derart unter Druck, dass er mich belügen musste. Er musste, entgegen seiner persönlichen Überzeugung, falsche ärztliche Ratschläge erteilen.
Ich wurde völlig ruhig und erklärte Dr. Stangl, dass ich ihm nicht mehr glaube. Als ich ihm meine Schlussfolgerungen unterbreitete, schüttelte er den Kopf und ging.
Ich war Dr. Stangl nicht böse, wir sind es auch heute nicht. Wir verstanden seine Zwangslage.
Ihn hatten wir seit damals zwischenzeitlich nicht mehr gesehen. Allgemein wurde später erzählt, er wäre ein gebrochener Mann.
Ich hatte wieder ein Ziel, für das ich kämpfen musste. Wir mussten das Spital verlassen, unbedingt. Zurück im Zimmer, veranlasste ich den diensthabenden Arzt, sofort alles von Olivia zu entfernen. Es gab eine fürchterliche Aufregung unter den Ärzten, aber selbst Primar Dr. Vanura konnte unserem Willen vorerst nichts entgegensetzen. Händeringend kämpfte er mit Tränen.
Keiner der Ärzte nahm in dieser Auseinandersetzung ein Blatt vor den Mund, um Olivia nach Möglichkeit zu schonen. Primar Vanura erklärte vor ihr brutal seine Ahnung, sollten wir nicht seinen Rat und seine Therapie befolgen.
So nicht! So durfte man mit uns nicht verfahren. Man hatte uns schriftlich zugesichert, dass nichts gegen unseren Willen mit Olivia geschehe. Ein Konsul, ein Vertreter des österreichischen Staates, hatte uns dies zugesichert!
Wir wollten aus diesem Spital wieder raus. Es würde sich schon ein Weg finden, Olivia auch zu Hause unter medizinische Aufsicht zu stellen. Wir hatten die Zusage der Diplomkrankenschwester Hildegard, Olivia zu betreuen und mit dem Rat und mehrmaligen persönlichen Besuchen von Dr. Hamer würden wir es schon schaffen. In einem Telefonat sagte mir Dr. Hamer zu. Vorwurfsvoll fragte er mich, wie es nur möglich war, dass ich diesen Leuten Glauben schenken und Olivia freiwillig in das Spital bringen konnte.
Über das Zentrum für Neue Medizin in Burgau ließen wir folgende Presseerklärung versenden:
PRESSEERKLÄRUNG:
Wir, Erika und Helmut Pilhar, vertrauen Dr. Hamer hundertprozentig. Dr. Hamer ist einverstanden die Behandlung unserer Tochter Olivia in vollem Umfang zu übernehmen. Wir sind nicht einverstanden, Olivia mit Chemotherapie und Bestrahlung behandeln zu lassen. Ebenfalls darf Olivia zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht operiert werden. Wir fordern die von der österreichischen Behörde mehrmals schriftlich zugesicherte volle Mitsprache und Entscheidungsfreiheit, damit nichts ohne unsere Einwilligung geschieht. Wir sind bereit, die volle Verantwortung zu übernehmen. Ich, Helmut Pilhar, bin auch bereit, für die freie Wahl der Therapie ins Gefängnis zu gehen.
Dr. Zimper war ebenfalls in Tulln angekommen. Er nahm mich beiseite und wir führten ein Gespräch unter vier Augen. Was ich machen würde, wenn trotzdem Olivia die Chemo gegeben werden sollte, wollte er wissen. Man müsste mich einsperren, entgegnete ich siegessicher, denn ich würde ein Fenster einschlagen um zu meinem Kind zu kommen, und ich würde wie zuvor die Ärzte zwingen, damit aufzuhören.
Dieser, von mir ausgesprochene Satz, sollte mich für lange Zeit von meiner Tochter trennen. Dieser Satz war Grund dafür, dass man mich später im AKH nicht zu meinem Kind gelassen hatte. Man unterstellte mir, ich sei gewalttätig und könnte meinem Kind ein Leid zufügen.
Zwischenzeitlich waren Frau Dr. Marcovich und Frau Dr. Rostovsky eingetroffen.
Sämtliche Ärzte und Dr. Heinz Zimper zogen sich zu einer Beratung zurück. Das Ergebnis war folgender Vorschlag: Frau Dr. Rostovsky würde die Behandlung von Olivia bei uns zu Hause übernehmen, wenn ein Chirurg sich bereit erklären könnte, diesen Tumor ohne Chemo zu operieren. Als Chirurg war Dr. Geißler geplant. Von ihm hieß es, dass er am ehesten dafür in Frage käme. Sollte er aber ebenfalls für Chemo plädieren, müssten wir einwilligen. Frau Dr. Marcovich, Frau Dr. Rostovsky, also jene Ärztinnen, denen wir noch am meisten trauten, waren für diesen Vorschlag. Ich vermutete, dass dieser Chirurg durch unseren unbeugsamen Willen, den nun sämtliche Ärzte und Behörden respektieren mussten, gezwungen war, seine Einwilligung in unserem Sinne zu leisten. Wahrscheinlich war er der Form halber nötig, um eine Behandlung der nur praktischen Ärztin, Frau Dr. Rostovsky, rechtlich abzudecken. Vielleicht aber war er auch ein solcher Chirurg, wie z.B. Prof. Klippel aus C., der Wilmstumoren ab einer gewissen, mechanisch nicht hinderlichen Größe, gar nicht mehr operierte.
Meine ganze Hoffnung setzte ich auf diesen Chirurgen. Es dauerte aber noch eine Weile, bis er kommen konnte.
Es wurde Abend. Der Reporterandrang war enorm. Ich wunderte mich, wie die Presse von Olivias Aufenthaltsort erfahren konnte? Auch dies konnte ich später von einem Reporter einer lokalen Zeitung erfahren und, rekonstruiert, musste sich folgendes zugetragen haben: Dr. Stangl war am vergangenen Montag persönlich in Tulln, um die Lage abzuklären. Ein ansässiger Arzt dürfte Wind davon bekommen haben, dass Olivia hierher verlegt werden sollte. Dieser Arzt hatte einen guten Freund bei der Tageszeitung „kurier“ und dieser befreundete Redakteur veröffentlichte diese Neuigkeit in der Mittwochausgabe, welche bekanntlich bereits am Vorabend zu kaufen ist. Der „orf“ sendete diese Neuigkeit über Olivias Verlegung bereits um 7:00 Uhr Mittwoch morgens im Radio.
Am Montag hatten wir bei dem Treffen bei Frau Dr. Rostovsky Stillschweigen über den Aufenthaltsort von Olivia vereinbart. Dienstagabend bzw. Mittwochmorgen wusste bereits ganz Österreich, wohin Olivia verlegt worden war.
Ein Arzt namens Dr. Langer drängte sich zu mir. Er war uns nach Spanien gefolgt, allerdings just am Montag, also an dem Tag, an dem wir nach Österreich zurückkehrten. Dort hatte man ihn ausgeraubt, so dass ihm ein großer Schaden entstanden war. Sein Motiv war, dieser unerträglichen Situation ein Ende zu bereiten und uns als alternative Therapie das Krebsmittel „Ukrain“ anzubieten. Davon hielt ich aber absolut gar nichts und argwöhnte, dass uns dieser Arzt für seine Zwecke gebrauchen wollte. Allerdings nahm ich sein Angebot, mir einen Rechtsanwalt verschaffen zu können, an.
Relativ schnell waren sogar gleich zwei Konsulenten dieser empfohlenen Rechtsanwaltskanzlei Wegrostek am Ort des Geschehens. Ich brachte sie mit Dr. Heinz Zimper zusammen und gemeinsam besprachen wir die derzeitige Situation.
Noch immer warteten wir auf den angekündigten Chirurgen. Dr. Zimper erklärte den Verteidigern, dass bei weiterer Nichtzustimmung zur Chemo, Olivia ohne Beisein der Eltern zwangstherapiert werden sollte.
Diese Aussage erschreckte mich, ich hoffte zwar noch immer auf diesen Chirurgen, aber wenn Olivia therapiert werden sollte, dann durfte man uns doch nicht von Olivia trennen. Ich wandte ein, dass wenn der Chirurg Dr. Geißler die Chemo erforderlich halten würde, wir dann zustimmen werden.
Dr. Zimper reagierte für mich recht überraschend. Er sah mich an, stand von seinem Platz auf, nahm meinen Kopf in seine Hände und meinte, dass er sich unendlich über meine jetzige Vernunft freue, wenn ich es auch wirklich ernst meinte. Was blieb mir auch anderes übrig? Sollte ich Olivia für Wochen oder Monate alleine in einer Klinik therapieren lassen, ohne ihre Mutter, ohne ihre Eltern? Das würde Olivia und wir nicht ertragen. Dr. Zimper entschuldigte sich und ging tief bewegt vom Tisch. Ich ging ihm nach und sah, dass er geweint hatte. In diesem Moment tat er mir sogar leid. Er war sicher davon überzeugt, dass nur die Chemotherapie Olivia retten könnte.
Endlich kam der Chirurg. Frau Dr. Rostovsky raunte mir nochmals zu, auf alle Fälle zuzustimmen, wenn Dr. Geißler die Chemo als erforderlich betrachtet. Es war bereits vor Mitternacht. Ich hatte seit Dienstag Morgen kein Auge zugetan und war auch emotional kurz vor einem Zusammenbruch.
23.00 Uhr Bewertung der letzten CTs aus Stockerau:
Teilnehmer: Dr. Vanura, Dr. Geißler, Dr. Heinz Zimper, Frau Dr. Rostovsky, Mag. Miklautz und ich.
Es wurde von Dr. Heinz Zimper ein Tonbandprotokoll erstellt. Dr. Vanura erläuterte die CTs und stellte fest, dass Olivia verwunderlicher Weise, sehr gute Nierenwerte hatte und auch die rechte Niere trotz Tumor nicht beschädigt sei.
Ich hatte also richtig geraten. Dr. Stangl hatte mich belogen.
Weiters seien keine weiteren Metastasen erkennbar. Der Tumor selbst hatte angeblich bereits ein Volumen von 4,6 Liter erreicht.
Dr. Geißler verlangte die Chemotherapie. Dr. Zimper sprach auf sein Diktiergerät, dass sich der Vater einverstanden erklärt hätte. Ich nickte und geistig verabschiedete ich mich von Olivia und überreichte sie den Ärzten.
Ich war leer. Erika schloss mich in ihre Arme und gegenseitig versuchten wir uns einzureden, dass doch noch alles gut werden könnte, dass Olivia vielleicht auch so keine Chance gehabt hätte.
Es war zum Verzweifeln. Es wurde mir ein drittes Bett ins Zimmer gebracht.
So war’s in Malaga
Zeichnung Olivias
vom 26.07.1995 ins Tagebuch ihres Vaters
Bezirkshauptmannschaft, Tonbandprotokoll:
Es wurde von Dr. Heinz Zimper in Beisein von Primar Vanura, Dr. Geißler, Mag Miklautz, Dr. Rostovsky, Dr. Marcovich und mir aufgenommen. Es wurden die letzten CTs von Olivia betrachtet und festgestellt, dass sie frei von Metastasen sei. Vor allem Lunge und Gehirn wurden als metastasenfrei erklärt. Über die Leber wurde nichts erwähnt.
Meine Zustimmung zur Chemotherapie wurde so ausgelegt, dass ich nunmehr einsah, dass dies die einzige Hoffnung für Olivia sei. Innerhalb der nächsten 48 Stunden sollte mit der Therapie begonnen werden. Zwischenzeitlich wäre die Eingabe lebensrettender Medikamente notwendig.
Ich sah niemals in der Chemotherapie eine Chance für Olivia, vielmehr willigte ich ein, damit man uns nicht von unserer Tochter zwangsweise fernhielt. Ich wollte lediglich eine Zwangstherapie ohne unser Beisein verhindern!