Ankunft Wien Schwechat:

Im Flieger hatte man uns bereits mitgeteilt, dass wir außerhalb am Rollfeld stehenbleiben würden. Den Reportern hatte man eine ganz andere Ankunftsposition auf die Nase gebunden. Dem stehenden Flieger fuhr ein Krankenwagen vor und parkte. Mehrere Polizeiwagen und Motorräder waren in kurzer Zeit aufgefahren. Wir stiegen aus und kletterten in den Krankenwagen.

Ein Herr von der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt stellte sich als Dr. Heinz Zimper, Bezirkshauptmannstellvertreter, vor und überreichte mir nochmals das, bereits in Spanien erhaltene Fax der „BH“ Wr. Neustadt. Wir konnten nicht sofort abfahren, da noch Herr Prof. Gadner kommen sollte. Von diesem Treffen war uns zuvor nichts mitgeteilt worden. Schließlich kam er an, und wir bestiegen nochmals den Flieger, um ein Gespräch führen zu können.

Gespräch mit Prof. Gadner, Dr. Heinz Zimper, Dr. Marcovich, Erika und mir:

Frau Dr. Marcovich überreichte Herrn Prof. Gadner die Vereinbarung vom 24.7.95. Prof. Gadner bemerkte dazu, dass er wohl kaum in dieser vereinbarten Form weiter die Verantwortung für Olivia übernehmen könne. Ich lehnte den Vorschlag des Herrn Dr. Heinz Zimper ab, demzufolge Frau Dr. Rostovsky die alleinige Behandlung Olivias übernehmen sollte und bestand darauf, wieder, entsprechend der Vereinbarung, Herrn Dr. Stangl beiziehen zu dürfen.


Prof. Gadner machte einen absolut steifen Eindruck auf mich. Erika erklärte mir gleich, nachdem wir aus dem Flieger geklettert waren, sie wolle nie wieder mit diesem Menschen zu tun haben. Er habe eine absolut negative Ausstrahlung, und sie könne diesem Menschen nie Olivia anvertrauen. Trotzdem kletterte Prof. Gadner anschließend zu Olivia in den Krankenwagen und betastete ihren Bauch. Diesen Mann in der Nähe meiner Tochter empfand ich widerlich.

Ich wusste nicht, was von diesem Gespräch im Flieger zu halten war. Alles schien wieder in Schwebe. Die von Herrn Konsul Esten vorgenommen Rückübertragung des Sorgerechts an Erika war angeblich ungültig.

Ich war heilfroh, als wir endlich aufbrachen und mit der Rettung Richtung Maiersdorf fuhren. Lustig war, dass wir mit Polizeieskorte unterwegs waren. Während der ganzen Geschichte war die Polizei uns normalerweise im Nacken, jetzt machte sie für uns den Weg frei. In einem ziemlich raschen Tempo fuhren wir dahin. Olivia beklagte sich über die Rumpelei, so wurden wir langsamer und mit uns die Polizeieskorte. Das Polizeimotorrad wurde auf der Südautobahn von einem Polizeiwagen abgelöst, dieser in Wr. Neustadt von einem weiteren, den wir allerdings kurz vor Maiersdorf plötzlich verloren. Er fuhr einfach in einer falschen Richtung weiter.

Wir waren wieder daheim. Erika brachte Olivia sofort auf ihr Zimmer. Erst nach ca. einer Stunde trafen die zu erwartenden Reporter ein. Ein Polizeiwagen parkte an unserer Grundstücksgrenze. Aber innerhalb kurzer Zeit war annähernd der selbe Medienrummel, wie in Spanien vor unserem Haus. Wir zählten um die zehn Reporter und fünf Kamerateams. Zuerst hielten wir uns verborgen, schließlich musste ich doch raus zu den wartenden Journalisten. Ob die Polizei dazu da wäre, um eine neuerliche Flucht zu verhindern, wurde ich befragt. Nein, entgegnete ich, sie sollten uns eigentlich vor zudringlichen Journalisten schützen. Doch ganz überzeugt von meiner Äußerung war ich selbst nicht und fragte deshalb die wartenden Polizisten über ihren Auftrag aus. Sie hätten lediglich die Order erhalten, hier zu bleiben. Sollte ich wegfahren, werde ich daran nicht gehindert.

Telefonat mit Dr. Stangl:

Dr. Hamer hatte mir in Malaga versichert, Dr. Stangl würde Olivia in Behandlung nehmen. Jetzt aber dementierte dies Dr. Stangl. Ich war entsetzt und redete so lange auf ihn ein, bis er sich bereit erklärte. Olivia müsste aber auf alle Fälle in ein Krankenhaus, verlangte er. Er machte den Vorschlag, mit dem Tullner Krankenhaus diesbezüglich zu sprechen. Der dortige Primar wäre ein älterer umsichtiger Herr, der kurz vor der Pensionierung stand. Deshalb hätte er keine Ambitionen, sich zu profilieren, hätte aber auch dadurch mit keinen größeren Schwierigkeiten zu rechnen, sollte die Therapie entsprechend der Neuen Medizin fehlschlagen. Weiters wäre es auch möglich, im Krankenzimmer eine Kochgelegenheit für Erika einzurichten. Dies war unserer Meinung unbedingt erforderlich, da Olivia anderes als von ihrer Mutter Gekochtes verschmähen könnte. Ein weiterer Vorteil wäre es, dass der Aufenthaltsort von Olivia geheim gehalten werden konnte, um so vor den Journalisten endlich Ruhe zu bekommen. Dr. Stangl beabsichtigte mit dem Tullner Primar Dr. Vanura diesbezüglich zu verhandeln. Am Abend war ein Treffen bei Frau Dr. Rostovsky anberaumt worden.

Besuch von Gerald:

Aus den Nachrichten hatte er erfahren, dass wir heute aus Spanien zurückkommen würden. Sofort hatte er sich von Kärnten aus auf den Weg gemacht, um uns zu begrüßen. Als er aus dem Wagen stieg, gab ich gerade über dem Gartentor hinweg ein Interview. Gerald hörte diesem zu und war begeistert, wie ruhig ich die Fragen beantwortete.

Später überlegte ich, ob es nicht besser wäre, ebenfalls zu diesem Treffen bei Dr. Rostovsky zu fahren. Gerald war sofort bereit, mich dorthin zu fahren.

18.30 Uhr- 22.30 Uhr. Treffen bei Dr. Rostovsky:

Anwesend waren: Dr. Heinz Zimper, Frau Dr. Marcovich, Frau Dr. Rostovsky, Herr Dr. Stangl, Herr Gerald Kobierski, zwei von Frau Dr. Rostovsky entsprechend der Neuen Medizin beratene und geheilte Patienten und ich.

Es wurde vereinbart, Olivia am nächsten Morgen nach Tulln zu bringen, darauf bestand vor allem auch Dr. Heinz Zimper.

Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ein Ärztegesetz vorschreibt, dass in öffentlichen Spitälern nur nach der reinen Schulmedizin vorgegangen werden darf. Es war eine der vielen Fallen, in die wir geführt wurden.

Da der Aufenthaltsort vorerst geheim bleiben sollte, wurde besprochen, so früh wie möglich von Maiersdorf aus aufzubrechen. In Tulln würde die weitere Behandlung von Herrn Dr. Stangl und Frau Dr. Rostovsky übernommen werden. Der Tullner Primar hätte sich mit allem einverstanden erklärt, wurde mir versichert. Unter diesen Umständen willigte ich gerne in einen stationären Aufenthalt ein, da mir die Vorteile der dortigen Ruhe und einer ständigen medizinischen Aufsicht von Olivia optimal erschienen.

Nach dem sich alle in diesen Punkten einvernehmlich einigten, verließ Frau Dr. Marcovich das Treffen.

Ich händigte Herrn Dr. Heinz Zimper alle bisher erstellten CTs, sowie den Originalbefund aus Malaga aus, worauf dieser mir versprach, diese CTs nach Begutachtung vollständig zurückzuerstatten. Es wurden von Herrn Dr. Stangl und Frau Dr. Rostovsky die vorhandenen CTs im Beisein des Herrn Dr. Heinz Zimper betrachtet. Von den beiden Ärzten wurde wiederum an hand der ersten CTs, die auch die Befundungsgrundlage des Herrn Prof. Jürgenssen und Herrn Dr. Manns waren, eine bereits schon zu diesem Zeitpunkt deutlich sichtbare Leberschwellung festgestellt. Für Frau Dr. Rostovsky und Herrn Dr. Stangl war anhand der Schädel- CTs der Hamersche Herd im Leberrelais die Sicherheit dafür, dass die Leber von einem Krebsgeschehen betroffen sei. Dr. Heinz Zimper schien beeindruckt und schüttelte auch oft fassungslos den Kopf. Seine Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Chemotherapie zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde von den beiden Ärzten klar verneint und medizinisch definitiv begründet. Laut Dr. Stangl richtet eine Chemotherapie im Allgemeinen mehr Schaden als Nutzen an.

Aber speziell im Falle Olivias mit ihrem Leberkrebs würde der Einsatz einer Chemotherapie strikt abzulehnen sein.

Für die Weiterbehandlung erachteten die Ärzte eine weitere CT-Serie als sinnvoll.
Zu bemerken gilt noch, dass dieses Treffen von einer äußerst wohlmeinenden Atmosphäre geprägt war und mich mit Optimismus für das Wohl meines Kindes erfüllte.

Nach dem Treffen begleiteten Gerald und ich Dr. Stangl zum Auto. Wir konnten feststellen, dass auch dieser Arzt sehr gläubig war. Ich war über alle Maßen froh, ihn für die Behandlung von Olivia gewonnen zu haben.

Erst spät in der Nacht kamen wir heim. Erika wusste noch nicht, dass wir kommenden Morgen Olivia ins Spital bringen sollten. Da beide bereits schliefen, konnte ich es ihr erst morgens erklären.

Olivia lag bei uns im Ehebett. Ich roch ihre, durch die Tbc verursachte, eigentümliche Körperausdünstung.

Dr. Hamer hatte, nichtsahnend von den einstweiligen Vorgängen in Österreich, eine Presseerklärung in Malaga verfasst.

Presseerklärung:

Am 23.11.95, abends 19:00 Uhr habe ich Frau Dr. Marcovich in Wien angerufen. Im Verlauf der Nacht bis 24.7.95 1:00 Uhr morgens haben wir sechsmal telefoniert, uns abwechselnd angerufen.

Mein Anliegen war: Frau Dr. Marcovich, können Sie nicht eine Garantieerklärung der österreichischen Behörden mitbringen, wenn Sie morgen Mittag nach Malaga kommen, dass niemand die Eltern zwingen wird zu Chemo und stationärem Aufenthalt im Krankenhaus? Wenn Sie das bringen, fährt die ganze Familie freiwillig mit nach Hause. Frau Dr. Marcovich recherchierte und meldete beim nächsten Anruf, dass sie eine solche Garantieerklärung in etwa mitbringen könne. Wir waren beide einig, dass unter dem ungeheuren Druck von Journalisten und Behörden eine für die Heilung von Olivia notwendige Ruhe hier nicht möglich ist.

Darauf vereinbarten wir, die ganze Aktion – unter Einschluss des Herrn Konsuls W. Esten als Blitznacht- und Nebelaktion durchzuführen. Wir, d.h. Frau Dr. Marcovich, die Eltern von Olivia und ich, vereinbarten Stillschweigen, um den zu erwartenden Journalistenpulk abzuhängen: Schon eine Stunde nach unserem letzten Telefonat startete die Luftrettungsmaschine (um 2:00 Uhr) in Wien.

Der Rückflug von Malaga wurde für 5:00 Uhr festgesetzt. Alles klappte reibungslos. Nur der Herr Konsul Esten kam schon „sicherheitshalber“ oder wegen Schlaflosigkeit, um 3:00 Uhr zur Wohnung der Familie Pilhar. Einzig der „Ort“ hatte durch ein „Loch“ in Wien von der bereits angelaufenen Blitzaktion Wind bekommen. Er drehte den Abflug der Familie aus Malaga.

Die einzige Gefahr für Olivia bestand noch darin, dass Herrn Prof. Gadner, der bei der Ankunft der Maschine die Eltern erwartete, diese hätte überreden können zu einem stationären Aufenthalt. Aber die ganze Familie ist inzwischen glücklich – eskortiert von 10 Polizeimännern zu Hause gelandet.

Dr. Hamer

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