Zeitig am Morgen musste ich den mittlerweile getippten Filmvertrag von der Rechtsanwaltskanzlei holen, diesen Erika im AKH zum Unterzeichnen vorlegen und ihn schließlich Dr. Martin Zimper, der im Cafe wartete, überreichen.

Doktor Zimper lernte erstmals Erika kennen. Für uns war es ein eigenartiges Gefühl zu wissen, dass nun ein Teil unseres Lebens verfilmt werden sollte. Herr Dr. Martin Zimper gestand, nun erstmals ein Drehbuch für einen 90 minütigen Film zu schreiben. Erst vor kurzem hatte er sich selbständig gemacht (!). Seines Wissens gab es bisher keine so rasche Verfilmung einer wirklichen Story und noch dazu mit Namensnennung.

Interview der Zeitschrift „focus“:

Mit Frau Stampf war ein gewisser Herr Thielde und ein Fotograf gekommen. Wir trafen sie im Cafe. Frau Stampf ging mit mir zu Olivia, um von ihr ein kurzes Interview zu erhalten, sie wurde aber sofort von mehreren Schwestern hinausgebeten. Frau Dr. Fuiko, Psychologin an der Station, behauptete, dass nur die nächsten Verwandten Olivia besuchen dürften. Ich widersprach, das könne nicht stimmen. Frau Dr. Fuiko bestand aber darauf, und Frau Stampf wollte man sogar den Fotoapparat abnehmen, was sie aber nicht zuließ. Sie ging daraufhin in das Büro des Prof. Dr. Urbanek und erhielt die Auskunft, dass lediglich ausländischer Presse der Zutritt zu Olivia verweigert werde.

Ich ging, um selbst Fotos von Olivia zu machen und traf wieder auf Frau Dr. Fuiko. Sie erklärte, soeben mit Prof. Dr. Urbanek telefonisch gesprochen zu haben und dass dieser nun ein Schreiben verfassen werde, das jeder Presse, auch der inländischen, den Zutritt zu Olivia verweigern sollte. Damit konnte ich mich einverstanden erklären. Eine einseitige Beschränkung der Presse durch das AKH wollte ich nicht akzeptieren.

Nach dem kleinen Tumult stellte sich die Ursache der raschen Reaktion der Schwester auf die Reporterin, Frau Stampf, heraus. Der Fotograf hatte uns nicht gleich gefunden, und durch sein hartnäckiges Auftreten auf der Station, unbedingt zu unserem Zimmer vorgelassen zu werden, alarmierte er die Direktion des AKH, welche wiederum unkoordinierte Befehle an die Ärzte weitergab.

Während des Zwischenfalls auf der Station hatte Sigrun die nunmehr bei jedem Interview anwesend war, Gelegenheit, mit Herrn Thielde zu sprechen, und sie fand heraus, dass er selbst aus einer Arztfamilie stammte und Dr. Hamer sehr skeptisch gegenüberstand. Sie warnte mich nun, beim Interview entsprechende Vorsicht walten zu lassen. Das Interview fand in einer Hotelhalle in der Wiener Innenstadt statt. Wir wollten kein unnötiges Aufsehen im Cafe des AKH erregen.

Nach dem Interview mit „focus“ hetzten wir zum nächsten Termin mit dem Chef der Zeitschrift „news“, Herrn Fellner, in die Kanzlei unseres Rechtsanwaltes.

Gespräch mit „news“-Chef, Herrn Fellner:

Bis dato hatte „news“ uns, vor allem aber mir persönlich, sehr geschadet, und wir waren gespannt, welches Ergebnis dieses Gespräch nun bringen sollte.

Herr Fellner sprach gekonnt. Erika blieb davon unbeeindruckt und konterte mit starken Vorwürfen. Er wiederum erklärte sich bereit, Raum für eine Klarstellung und mir eine finanzielle Entschädigung für die erlittene Rufschädigung zu zahlen.

Herr Fellner gab vor, bei den Behörden zu recherchieren, wie weit diese nun zu ihren diversen Versprechungen aus der Vergangenheit stehen wollten und wollte von uns ein Interview erstellen.

Sein Ziel wäre es, dass Olivia, wie jedes andere Kind, nach Hause dürfe. Er gab vor, uns Eltern in unserem Kampf um unser Kind zu bewundern. Mit der Geschichte um Olivia wolle er nichts verdienen, vielmehr wolle er uns allen Gewinn zur Verfügung stellen. Eine Autorisierung des Textes durch unseren Anwalt wurde vereinbart.

Trotz meiner negativen Erfahrungen mit dieser Zeitung hätte ich Herrn Fellner sofort vertrauensvoll für seine bekundete lautere Absicht herzlich die Hand schütteln wollen und wäre augenblicklich für ein Interview zur Verfügung gestanden, wenn da nicht meine besonnenen Freunde gewesen wären. Ich musste mir selbst eingestehen, leicht beeindruckbar zu sein.

Olivia

Veronika hatte sich bereiterklärt, die Nacht bei Olivia zu verbringen. Olivia war damit überhaupt nicht einverstanden und war zutiefst beleidigt. Sie verhielt sich unmöglich. Veronika schien überfordert. Aus Erfahrung wussten wir aber, dass lediglich die ersten Minuten der Trennung für Olivia schlimm waren. Etwas später begnügte sich Olivia sehr wohl mit den gegebenen Umständen. Wir hielten den Einsatz von Veronika oder meiner Schwester Michaela bei Olivia ohnehin in Grenzen. Einen Tag gemeinsam verbringen zu können, schien für Erika und mich aber auch unentbehrlich und für unsere Beziehung erforderlich zu sein.

Zu Hause schnitt Erika meine Haare. Zuletzt tat sie dies vor vielen Jahren, als ich sie noch länger trug. Obwohl sie von meinen Wünschen stark abwich, störte mich mein neuer Schnitt kaum. Was bedeuteten mir schon Äußerlichkeiten?

AKH:

Verordnung:

Hiermit wird nochmals festgelegt, dass jeglicher Besuch von inländischen oder ausländischen Journalisten sowie Fotografen bzw. Personen, die die Krankheitsereignisse des Kindes Olivia Pilhar bekannt machen wollen, auf der Station E9 der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde untersagt ist.

Die Eltern dürfen private Aufnahmen des Mädchens ohne Einbeziehung von medizinischen Einrichtungen sowie Personen, die das Kind pflegen oder im Allgemeinen Krankenhaus sich befindenden Patienten, nur zu deren Privatdokumentation machen. Eine Weiterleitung an Dritte, vor allem an die Medien, ohne Einverständnis der Pressestelle des Allgemeinen Krankenhauses ist nicht gestattet.

Eine Verletzung der vereinbarten Bedingungen ist sowohl dem Krankheitszustand des Mädchen Olivia Pilhar als auch der Behandlung desselben Kindes nicht dienlich und daher ausdrücklich untersagt.

Univ. Prof. Dr. R. Urbanek

Über diese „vereinbarte Verordnung“ konnte ich nur schmunzeln. Wer wollte mir verbieten, Fotos meiner eigenen Tochter weiterzugeben? Gegen welche vereinbarten Bedingungen würde ich damit verstoßen? Mit uns wurde nichts dergleichen vereinbart, das AKH glaubte, es diktieren zu können!

Wieso sollte eine „Verletzung der vereinbarten Bedingungen“ dem Krankheitszustand von Olivia nicht dienlich sein? Wenn sich Olivia nicht ausdrücklich gegen eine filmische Aufnahme aussprach und somit angenommen werden konnte, dass sie dies nicht weiter störte, war selbstverständlich klar, dass Aufnahmen keine Therapie, vor allem keine Chemotherapie unterstützen konnten. Würden sie das können, vielleicht hätte man diese dann eingeführt. Grundsätzlich glaube ich, davon ausgehen zu dürfen, dass filmische Aufnahmen weder positiv noch negativ auf die Gesundheit einer Person einwirken, vorausgesetzt, die Person ist mit der Aufnahme einverstanden, was Olivia größtenteils auch war. Erklärte sie sich nicht damit einverstanden, was durchaus auch vorkam und lagen die Aufnahmen in meinem Machtbereich, so stellte ich sie sofort ein. Es gab Zeiten, wo ich sie nicht verhindern konnte.

Um einen Grund finden zu können, warum filmische Aufnahmen die von den Ärzten des AKH verabreichte Behandlung beeinflussen könnten, musste man schon subtiler forschen.

Kurzum, diese Verordnung musste man als Frechheit empfinden, wenn man die Vorgehensweise des AKH uns gegenüber noch nicht kannte. Ich empfand es wirklich nur als Kuriosum, als Ausgeburt eines durch und durch kranken und schuldbewussten Systems.

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