Habilitation an der Universität Tübingen
Az.: 6 K 93/93
VERWALTUNGSGERICHT SIGMARINGEN
Beschluß
In der Verwaltungsrechtssache
Herr Dr. Ryke Geerd Hamer
Sülzburgstraße 29, 50937 Köln,
– Antragsteller –
prozeßbevollmächtigt:
Rechtsanwalt Uwe Lucke,
Postfach 1361, 50354 Hürth, Az: 21969
gegen
Universität Tübingen,
vertreten durch den Präsidenten,
Wilhelmstraße 7, 72074 Tübingen,
– Antragsgegnerin –
wegen
Vollstreckung
hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen durch
den Vorsitzenden Richter im Verwaltungsgericht Dr. Hauser
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Diem
den Richter M. Frank
am 03. Januar 1994 beschlossen:
Der Antragsgegnerin wird auferlegt, bis spätestens 31. März 1994 entsprechend dem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. Dezember 1986 – 3 K 1180/86 – „über den Antrag des Klägers auf Erteilung der Habilitation erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.“
Für den Fall, daß die Antragsgegnerin dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wird ihr ein Zwangsgeld in von 1.000.-DM angedroht.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten dieses Verfahrens.
Gründe:
I.
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17. Dezember 1986 – 3 K 1180/86 – wurde in diesem Verfahren des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin für Recht erkannt:
„Der Bescheid der Beklagten vom 10.05.1982 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung der Habilitation erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte und der Kläger tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 200.-abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von DM 200.-abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.“
Nach einer Aktennotiz des Professors Dr. D. Niethammer vom 19.10.1987 fand am 8.10.1987 eine Besprechung mit ihm, Herrn Schwarzkopf vom Rechtsamt der Antragsgegnerin und dem Antragsteller statt. Dabei habe der Antragsteller berichtet, daß seine Schrift inzwischen 3000 Seiten beinhalte und aus drei Bänden bestehe. Er habe überzeugt werden können, daß das nicht zumutbar sei und der Antragsteller eine Zusammenfassung von etwa 150 Seiten als Habilitationsarbeit vorlege, der die Bücher als Supplement beigelegt würde. Der Inhalt dieses genannten Gesprächs wurde neben anderen Ausführungen in einem Schreiben von Professor Dr. Niethammer an den Antragsteller vom 30.11.1987 wiedergegeben. Am 21.01.1993 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Sigmaringen die Zwangsvollstreckung gegen die Antragsgegnerin aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17.12.1986 – 3 K 1180/86 – beantragt. Zur Begründung trägt er vor, die Antragsgegnerin sei bis heute ihrer Verpflichtung aus dem genannten Urteil nicht nachgekommen. Das Habilitationsverfahren sei grundsätzlich nicht davon abhängig, daß eine spezielle Zusammenfassung der Habilitationsschrift vorgelegt werde. Dazu diene allein schon die Gliederung, die der Habilitationsschrift beigefügt sei. Er habe für den Habilitationsausschuß eine Zusammenfassung der Habilitationsschrift geliefert. Diese Zusammenfassung sei in Kassettenform vorgelegt worden. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung sei zu beachten, daß die Universität Tübingen im Jahre 1986 erklärt habe, sie habe die Ablehnung der Habilitationsschrift verfügt aufgrund von ungeprüften subjektiven Werturteilen der Prüfungsreferenten. Kein einziger Fall sei seinerzeit reproduziert worden. Der Antragsgegnerin sei daher im laufenden Vollstreckungsverfahren deutlich zu machen, daß – wie in jeder naturwissenschaftlichen Fakultät üblich – die Überprüfung der Habilitationsschrift nach den Regeln der Reproduzierbarkeit zu erfolgen habe. Es könne keine Rede davon sein, daß der Antragsteller sich etwa im Rahmen einer Besprechung vom 19.10.1987 damit einverstanden erklärt hätte, eine zusätzliche Kurzfassung der Habilitationsschrift vorzulegen. Nur zum besseren Verständnis der Professoren sei die zusammenfassende Kassette gefertigt worden. Die Universität habe sich seinerzeit verpflichtet, nach den allgemein anerkannten naturwissenschaftlichen Regeln der Reproduzierbarkeit die Überprüfung vorzunehmen.
Der Antragsteller beantragt (sachdienlich gefaßt),
der Antragsgegnerin eine Frist zur Erfüllung des Urteils des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17.12.1986 – 3 K 1180/86 – zu setzen und für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs ein Zwangsgeld in Höhe von DM 2.000,–
anzudrohen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung trägt sie vor, der Antrag sei unbegründet. Zwar habe das Verwaltungsgericht Sigmaringen mit Urteil vom 17.12.1986 die Antragsgegnerin dazu verpflichtet, das Habilitationsverfahren erneut durchzuführen. Das Verfahren sei aber entgegen der Darstellung des Antragstellers deshalb noch nicht eingeleitet, weil dieser bisher nicht die von ihm verlangten Zusammenfassung vorgelegt habe. Die Schrift des Antragstellers umfasse insgesamt 3000 Seiten in drei Bänden. Es sei nicht zumutbar, diese Schrift dem Habilitationsausschuß zur Beurteilung vorzulegen. Der Antragsteller sei erstmals mit Schreiben vom 16.10.1987 durch Herrn Schwarzkopf von der Zentralen Verwaltung aufgefordert worden, als schriftliche Habilitationsleistung die ursprüngliche Habilitationsschrift sowie die hierzu verfaßten drei Bände als Supplement vorzulegen. Des weiteren sei er aufgefordert worden, in einem Abstract eine Zusammenfassung einzureichen. Bei einer Besprechung am 8.10.1987, an der u.a. der Antragsteller teilgenommen habe, habe sich dieser mit diesen Bedingungen einverstanden erklärt. Ebenso habe im Herbst 1992 zu Semesterbeginn ein Gespräch zwischen dem damaligen Dekan der medizinischen Fakultät und dem Antragsteller stattgefunden, bei dem dieser wiederholt darauf hingewiesen worden sei, daß eine Zusammenfassung der Schrift vorzulegen sei. Die eingereichte Tonbandkassette entspreche dieser geforderten Zusammenfassung nicht. Auch sei die Gliederung der Habilitationsschrift nicht als Zusammenfassung anzusehen.
Dem Gericht habe die einschlägigen Akten der Antragsgegnerin vorgelegen. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist nach § 172 VwGO mit dem sich dem Tenor des Beschlusses ergebenden Inhalt zulässig und begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17.12.1986 – 3 K 1180/86 – ist seit 18.02.1987 rechtskräftig. Die Antragsgegnerin ist der ihr mit diesem Urteil auferlegten Verpflichtung zur Bescheidung bislang nicht nachgekommen.
Der Vollstreckung steht nicht die zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin nach der mündlichen Verhandlung vom 17.12.1986 im Verfahren Dr. Hamer gegen die Universität Tübingen – 3 K 1880/86 – getroffene Absprache entgegen, wonach der Antragsteller für die Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung der Habilitation vom 2.11.1981 entsprechend dem Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 17.12.1986 – 3 K 1180/86 – eine Zusammenfassung seiner Arbeit vorlegt. Streitgegenstand des Verfahrens Dr. Hamer gegen die Universität Tübingen – 3 K 1180/86 – war der Antrag des Antragstellers auf Erteilung der Habilitation vom 28.10.1981, der am 2.11.1981 bei der Antragsgegnerin eingegangen war. Nur auf die zu diesem Antrag vorgelegte Habilitationsarbeit samt Anlage bezieht sich die mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Sigmaringen vom 17.12.1986 – 3 K 1180/86 – ausgesprochene Verpflichtung zur Bescheidung, hinsichtlich derer die Vollstreckung nach § 172 VwGO beantragt worden ist. Der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für die rechtskräftig entschiedene Verpflichtungsklage im Verfahren 3 K 1180/86 spätestens der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 17.12.1986 (vgl. Rdeker / von Oertzen, VwGO, Kommentar, 10. Auflage, § 108 Rdnr. 22).
Was das Anliegen des Antragstellers anlangt, die Antragsgegnerin in dem vorliegenden Vollstreckungsverfahren zu verpflichten, die „Überprüfung der Habilitationsschrift nach den Regeln der Reproduzierbarkeit“ vorzunehmen, so vermag das Gericht diesem nicht näherzutreten. Insoweit wird auf das eine entsprechende Anfrage des Antragstellers beantwortende Schreiben des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 4.12.1987 im Verfahren 3 K 1180/86 verwiesen. Dort wurde u.a. ausgeführt:
„Die im Urteil vom 17.12.1986 ausgesprochene Verpflichtung der beklagte Universität, über Ihren Antrag auf Erteilung der Habilitation erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden, bezieht sich nach dem tragenden Grund des Urteils ausschließlich auf den unterlaufenen Verfahrensfehler, nämlich die Entscheidung über Ihr Habilitationsgesuch durch ein im Zeitpunkt der Entscheidung unzuständiges Gremium. Diese Rechtsauffassung des Gerichts hat die Universität bei einer neuen Entscheidung über Ihren Antrag zu berücksichtigen. Die Rechtsauffassung des Gerichts bezieht sich hingegen nicht auf Elemente in der Urteilsbegründung, die das Gericht ausdrücklich offengelassen hat, wie etwa die Nachprüfung der von Ihnen gewonnen Ergebnisse an Patienten (S. 12 des Urteils). Insoweit besteht keine Bindungswirkung des Urteils für die Universität.
Falls Sie der Auffassung sind, daß eine solche Überprüfung unverzichtbar zu einem ordnungsgemäßen Habilitationsverfahren in Ihrem Fall gehört, besteht für Sie die Möglichkeit, diesen Einwand gegen die neuerliche Entscheidung der Universität über Ihre Habilitation vorzubringen.
Überdies ist es dem Gericht nach rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens 3 K 1180/86 verfahrensrechtlich verwehrt, nochmals eine für die Universität bindende Entscheidung über Ihr Anliegen zu treffen oder auch nur eine „Interpretation“ seines Urteils in der von Ihnen gewünschten Weise vorzunehmen.“
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluß kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung beim Verwaltungsgericht Sigmaringen schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle Beschwerde eingelegt werden. Die Rechtsmittelschrift muß spätestens am letzten Tag der Frist bei Gericht eingehen.
Anschrift des Verwaltungsgerichts:
Verwaltungsgericht Sigmaringen, Karlstraße 13, 72488 Sigmaringen oder Verwaltungsgericht Sigmaringen, Postfach 320, 72481 Sigmaringen
gez. Dr. Hauser / gez. Dr. Diem / gez. M. Frank
Beschluß
vom 03. Januar 1994
Der Streitwert wird nach §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 1 Satz 1 GKG auf
1.000,– DM
festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluß kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einhundert Deutsche Mark übersteigt. Die Beschwerde ist schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht Sigmaringen einzulegen. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von 6 Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird; ist der Streitwert jedoch später als ein Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Beschlusses eingelegt werden. Die Rechtsmittelschrift muß spätestens am letzten Tag der Frist bei Gericht eingehen.
Anschrift des Verwaltungsgerichts:
Verwaltungsgericht Sigmaringen, Karlstraße 13, 72488 Sigmaringen oder Verwaltungsgericht Sigmaringen, Postfach 320, 72481 Sigmaringen
gez. Dr. Hauser / gez. Dr. Diem / gez. M. Frank