Anwaltskanzlei Koch

Entwurf

An
Landgericht Kempten
87435 Kempten

27.03.2013
In der Strafsache
gegen Dr. Hamer u. a.
– 1 Ks 211 Js 521/10 –

wird beantragt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen.

Begründung:

1.
Bereits unter dem 23.5.2012 (Bl. 702 d. A.) haben wir darauf hingewiesen, daß bereits nach dem Akteninhalt nicht erkennbar ist, daß sich der Angeschuldigte Dr. Hamer einer Fahrlässigen Tötung – so der damalige Vorwurf – schuldig gemacht habe. Hinsichtlich des Todes von Susanne Rehklau sei bereits nach dem seinerzeitigen Gutachten nicht erkennbar, daß dieser nicht ohnehin so eingetreten wäre, auch wenn die erste vorgeschlagene Therapie sofort durchgeführt worden wäre.

Hierzu gab es im Gutachten nur die Aussage „hoch wahrscheinlich“.
Nachdem jetzt die Anklageschrift statt des bisherigen Vorwurfes der fahrlässigen Tötung den Vorwurf des versuchten Totschlages erhebt, hatten wir erwartet, daß die Akte entsprechend weiteres Belastungsmaterial hierfür enthalte.

Das ist jedoch nicht der Fall.

Offensichtlich ist dieser gewaltigere Vorwurf in Ermangelung (so) von Beweisen betreffend die vorgenannte Ursächlichkeit auf folgende fragwürdige Art entstanden: da eine fahrlässigeTötung scheitert, wenn eine Ursächlichkeit nicht belegbar ist, ist stattdessen – ohne weitere belastende Unterlagen hierfür – ein Tötungsvorsatz (!) des Angeschuldigten Dr. Hamer behauptet worden. Hätte der Angeschuldigte töten wollen, so wäre eine Ursächlichkeit für den Tod Susanne Rehklaus nämlich unerheblich. Es käme versuchter Totschlag in Betracht.

Tatsächlich enthält die Akte aber nichts weiter, was einen solchen Tötungsvorsatz des Angeschuldigten Dr. Hamer zu belegen geeignet wäre.

Alleine deswegen schon ist eine Verurteilung des Angeschuldigten Dr. Hamer nicht zu erwarten.

Auf die diesseitige Stellungnahme, Bl. 702 – 704 d. A., wird hingewiesen.

Eine Ursächlichkeit zwischen dem Tod der Susanne Rehklau und irgend einer Handlung des Angeschuldigten Dr. Hamer sieht die Staatsanwaltschaft offensichtlich selbst nicht, denn anderenfalls hätte sie die Anklage wegen (vollendeten) Totschlags erhoben (bei gegenwärtig ja unterstelltem Tötungsvorsatz).

2.
Wir erlauben uns weiter die Anmerkung, daß der maßgebliche Gutachter des UKM offensichtlich befangen ist.

So schreibt er per Email wegen eines Nachgutachtens folgendes (Bl 751 d. A.)

„Hallo, Frau Wagner.
Gutachten ist fertig. Ich habe es eben meinem Chef auf den Tisch gelegt und hoffe, dass er es Ihnen nächste Woche weiterleiten wird. Ich drücke die Daumen, dass alles wunschgemäß verläuft. Bei Rückfragen melden Sie gern telefonisch unter 0251 83-40018. Nächste Woche bin ich allerdings zur Hospitation in Würzburg.
Herzliche Grüße, Ihr
Tobias Linden“

Der Gutachter drückt also der Staatsanwältin die Daumen, daß alles wunschgemäß verlaufe.

Nach dem obigen Kontext bezieht sich dieses Daumendrücken nicht darauf, daß das Gutachten in der nächsten Woche an die Staatsanwältin Wagner weitergeleitet werde. Denn die Hoffnung hierauf hatte der Gutachter bereits im Satz vorher ausgedrückt. Es wäre unsinnig, wegen der genau gleichen Sache im nächsten Satz – gewissermaßen nochmals – die Daumen zu drücken. Auch wird der Gegenstand des Daumendrückens anders bezeichnet, als zuvor, nämlich „dass alles wunschgemäß verläuft“. Es ist offenkundig, daß damit gemeint ist, daß der Fall gegen die Beschuldigten „dicht gemacht“ wird und die beabsichtigte Anklage stattfinden kann. Da solches leider nicht der Fall war, musste das Nachgutachten gemacht werden (welches aber nicht dazu führte, eine Ursächlichkeit zwischen irgend einer Handlung des Angeschuldigten Dr. Hamer und dem Tod der Susanne Rehklau feststellbar zu machen).

Der Gutachter, der der Staatsanwaltschaft die Daumen drückt, ihr möge die Beweisführung gelingen, ist zweifellos befangen.

Aus der Email ist weiter ersichtlich, daß der das Gutachten ebenfalls unterschreibende Prof. Dr. Jürgens gar nicht einflußnehmend an dem Gutachten mitgewirkt hat. Dr. Linden hat mehr als etwa nur eine Vorarbeit oder Zuarbeite an Prof. Jürgens geleistet, wie er selbst freimütig bekennt. Die Ausführung „Gutachten ist fertig“ und daß dieses voraussichtlich nächste Woche an die Staatsanwaltschaft (nur) „weitergeleitet“ werde, lässt die wahren Verhältnisse erkennen.

3.
Die verschiedenen Durchsuchungsbeschlüsse haben entgegen der in ihr ausgedrückten Erwartung, Nachweise für die Einflußnahme des Dr. Hamer auf die Entscheidung des Ehepaares Rehklau zu finden, nicht erbracht.

Wenn wir es richtig übersehen, so ist der früheste aus der Akte ersichtliche Kontakt mit dem Angeschuldigten Dr. Hamer ein Telefongespräch am 17.10.09 (Bl 759 d. A.). Dabei ist aber nur ersichtlich, daß er in einem laufenden Sorgerechtsstreit die Rechtsanwältin Steinacker empfohlen hat. Die Empfehlung einer Rechtsanwältin dürfte nun unter keinem denkbaren Gesichtspunkt strafrechtlich relevant sein.

Am 26.10.09 erstattete der Angeschuldigte Dr. Hamer sein Gutachten zur Vorlage im weiterlaufenden Sorgerechtsverfahren. Die Eheleute Rehklau hatten aber, sofort vollziehbar, schon seit dem 22.10.09 kein Sorgerecht mehr für Susanne Rehklau. Eine irgendwie geartete Einwirkung auf die Eheleute Rehklau konnte zu diesem Zeitpunkt gar keine Bedeutung mehr für die Frage haben, ob, und wenn ja, wie Susanne Rehklau behandelt würde. Diese Entscheidungsmacht lag beim allein sorgeberechtigten Jugendamt.

Es ist also schon aus der Ermittlungsakte gar keine Tathandlung des Angeschuldigten Dr. Hamer erkennbar, welche nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tötung von Susanne Rehklau führen sollte.

Vorliegend ist zusätzlich zu beachten, daß ein Unterlassen (den Eltern) vorgeworfen wird. Ein Tun steht nur dann einem Unterlassen gleich, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht. Den nicht sorgeberechtigten Eltern steht nun gerade in Bezug auf die Personensorge kein Recht zu, entsprechend haben sie (natürlich) auch keine Pflicht zum Handeln.

In einer gedachten Kette hin bis zur Einwirkung auf Susanne Rehklau ist also schon der strafrechtliche Handlungsbegriff nicht erfüllt.

Es ist im Prinzip nicht anders, als würde dem Angeschuldigten Dr. Hamer vorgeworfen, mit einem Tun auf Wladimir Putin eingewirkt zu haben, daß dieser im Bezug auf Susanne Rehklau etwas unterlasse und Susanne Rehklau so sterbe.
Prinzipielle Unsinnigkeiten werden besonders dann deutlich, wenn man sie auf die Spitze treibt.

4.
Der größte Unsinnigkeit dieser Anklage, gewissermaßen das Sahnehäubchen, ist die Behauptung eines Tötungsvorsatzes des Angeschuldigten Dr. Hamer. Unabhängig davon, daß die Annahme eines Tötungsvorsatzes bei Erstellung eines Gutachtens für ein Gericht schon merkwürdig anmutet, ist kein Motiv dafür erkennbar, warum der Angeschuldigte Dr. Hamer den Tod der Susanne Rehklau gewollt oder billigend in Kauf genommen haben sollte.

Die von dem Angeschuldigten Dr. Hamer vertretenen medizinischen Thesen sind bekannt. Sein größtes – neben dem allgemeinmenschlichen und vorliegend gleichlaufenden – Interesse nach der ohne sein Zutun abgebrochenen Chemotherapie müßte gewesen sein, daß Susanne Rehklau überlebt. Nur solches, und nicht der Tod von Susannne Rehklau, könnte geeignet sein, seine Thesen als richtig erscheinen zu lassen. Der Tod von Susanne Rehklau würde in der Außenwirkung eher seine Thesen als unrichtig erscheinen lassen.
Diese für den Vorwurf – vorsichtig ausgedrückt – unergiebige Motivlage wird von der Staatsanwaltschaft auch nicht ins Feld geführt.

Ins Feld geführt wird lediglich, daß der Angeschuldigte Dr. Hamer aufgrund seiner Ausbildung wisse, daß die schulmedizinische Chemotherapie das Richtige sei.

Das haben die Bezirksregierung Koblenz, das VG Koblenz (urt. v. 3.7.1989, Az. 9 K 215/87) und das OVG Rheinland-Pfalz (Beschluss v. 21.2.1990, Gz. 6A 10035/89) ganz anders gesehen. Dem Angeschuldigten Dr. Hamer wurde in den genannten Verfahren die ärztliche Approbation entzogen mit folgender Begründung:Es bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der (dortige) Kläger aufgrund seiner geistig-seelischen Konstitution nicht mehr in der Lage sei, sein praktisches ärztliches Handeln an der Einsicht in die ärztliche Gegebenheiten auszurichten. Der (dortige) Kläger sei durch eine wahnähnliche Gewissheit, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse seien unantastbar, geprägt.

Mit der gleichen Argumentation ist später die (erneute) Erteilung der Approbation versagt worden, VG Frankfurt am Main, Urt. v. 22.10.2003, Gz. 12 E 591/03 (2) und Hessischer VGH, Beschluss v. 13.12.2004, Gz. 11 ZU 3399/03.

Es wird beantragt, zum Zwecke des Beweises die Akten beizuziehen.

Der Angeschuldigte Dr. Hamer ist also gar kein Arzt.

Damit dürfte die einzige Argumentation für seinen (ohnehin abwegigen) bedingten Tötungsvorsatz ihre Grundlage verlieren.

Koch
Rechtsanwalt

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