Ein Tierarzt schreibt …

Emil war von edler Abstammung aus einem Milchschafherdbuchbetrieb und hochprämiert. Er war sehr ruhig und lieb und seine Nachkommen hätten auf jeder Schönheitskonkurrenz für Schafe Preise geholt.

Deshalb erwarben meine Frau und ich ihn nach Ende der Decksaison von Freunden und ließen ihn unsere Schafdamen betreuen. Dabei sprachen wir ab, daß er im nächsten Jahr noch einmal im früheren Betrieb für guten Nachwuchs sorgen sollte. Also fuhren wir ihn im nächsten Jahr in seine alte Heimat.

Er sah sich die neuen alten Damen an und war sofort begeistert. Einige Unbotmäßigkeiten erstickte er durch kräftige Rammstöße im Keim. Die Schafdamen waren alle in kürzester Zeit tragend. Nach Beendigung seiner Mission wurde er zusammen mit einem anderen Deckbock auf einer benachbarten Weide gehalten.

Anfang November, es hatte gefroren und geschneit, lief er plötzlich müde und mit schleppenden Schritten durch das Dorf. Unser Freund sammelte ihn wieder ein und rekonstruierte folgendes:

Es hatte einen Rangordnungskampf mit dem anderen Deckbock gegeben und den hatte er verloren.

In seiner Not war er über den Elektrozaun gesprungen und weggelaufen. Verletzungen waren nicht zu finden. Kopf und Ohren waren eiskalt und er fraß keinen Halm Heu oder anderes Futter mehr. Natürlich wollte unser Freund uns keinen kranken Bock zurückbringen und bemühte den Tierarzt.

Aber nach erfolglosen 14 Tagen beichtete er uns, und wir beschlossen Emil sofort zurückzuholen, damit er in seine alte Umgebung kam.

Einen Tag später kam er bei uns an, abgemagert und müde und mit eiskaltem Kopf und Ohren, über den eine Pudelmütze mit Sehschlitzen und Löchern für die Ohren gezogen war, wie es für einen Bankräuber nicht passender hätte sein können. Er sah zum Fürchten aus.

Seine Damen kontrollierte er etwas müde, aber Emil erkannte sie offenbar sofort wieder.

Nach einem kleinen Bohnenkaffee und einigen Stunden Pause, waren Kopf und Ohren schon nicht mehr so kalt und die Haut war leicht rosa. Am nächsten Morgen fraß er etwas Heu und Hafer.

Nach 2 Tagen hatte er eine schwere Lungenentzündung, die nicht zu bekämpfen war und nach 3 Tagen lag er morgens tot im Stall.

Emil muß also einen Revier-Angst/Sorge-Konflikt, mit einem Bronchial-Ca erlitten haben, weil er sein Revier (Damen) verlassen mußte. Und dieser Konflikt löste sich in dem Moment als er wieder in sein altes Revier zurückkehrte, erkennbar an der Lungenentzündung in der Heilungsphase. Daß er zusätzlich bei dem Rangordnungskampf auch noch einen Revierkonflikt erlitten hat, ist mehr als wahrscheinlich. Dadurch ist er allerdings automatisch in eine sog. schizophrene Konstellation geraten. Das würde auch erklären, warum er über den Elektrozaun gesprungen ist, um den er sonst immer einen weiten Bogen gemacht hat.

Vermutlich sind beide Konflikte in Lösung gegangen, und ob er nun an der Lungenentzündung oder an dem Rechtsherzinfarkt, sprich Lungenembolie in der Heilungsphase bzw. in der epileptoiden Krise gestorben ist, läßt sich im Nachhinein leider nicht mehr genau feststellen.

Jedenfalls trauern wir heute noch unserem Emil nach!

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