(Zum Gastkommentar „Empfehle Kontakte mit Dr. Hamer zu vermeiden“ vom 7.2.91)
Als Juristin und Betriebswirtin kann ich inhaltlich zu Dr. Hamers Thesen nicht Stellung nehmen. Als kritische Beobachterin der Zustände in unserem sogenannten Gesundheitswesen finde ich jedoch die Ergebnisse der schulmedizinischen Krebstherapie keinesfalls so ermutigend, daß ein Anlaß bestünde, unkonventionelle Thesen als lächerlich zu verwerfen. Millionen Kranke, denen die Schulmedizin weder eine Heilungschance noch eine wesentliche Linderung ihrer Leiden und Ängste bringen konnte, haben ein Recht darauf, daß jede, aber auch wirklich jede Theorie eingehend und ohne Zynismus geprüft wird.
Daß Außenseitermeinungen in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften erst dann publiziert werden, wenn schon die Spatzen ihre Richtigkeit von den Dächern pfeifen, weiß ich als leidgeprüfte Umweltaktivistin, AKW-Gegnerin der ersten Stunde und Kritikerin der irreführenden tierexeprimentellen Forschung nur zu gut; dies ist kein Kriterium einer wissenschaftlich fundierten Auseinandersetzung. Auch die von Rektor Kenner angeführte Homöopathie fand erst nach Jahrzehnten und auf Drängen einer immer größer werdenden Schar von Patienten einen Eingang in die renommierte Publikationen. Und die ebenfalls von Dr. Kenner angesprochene Psychoonkologie wird derzeit nur wenigen Kranken zuteil, fast niemals auf Krankenschein (siehe die mehrmals von der Schließung bedrohte Ludwig-Boltzmann-Psychoonkologie in Lainz). In der Regel werden Patient/innen mit der niederschmetternden Diagnose „Krebs“ alleingelassen und auf einen leidvollen Weg der Chemo– und Strahlentherapie geschickt.
Daß ein Forscher, der seit mehr als einem Jahrzehnt nicht einmal um Anerkennung, sondern lediglich um wissenschaftliche Überprüfung seiner Thesen ringt, keine freundlichen Töne mehr anschlägt, scheint mir menschlich überaus verständlich. Nur jemand der die sachliche Auseinandersetzung scheut, muß fast die Gänze seiner Ausführungen der Empörung über den harten Ton Hamers widmen.
Aber offenbar hat die Verärgerung über Hamers Ton schon sehr vielen Patient/innen das Leben gekostet. Genauso war es seinerzeit beim rabiaten Kritiker Semmelweis, der sogar ins Irrenhaus gebracht wurde.
Dr. Madeleine Petrovic, Wien
Abgeordnete zum Nationalrat
Anmerkung von HPilhar
Frau Dr. Petrovic (Clubchefin Die Grünen) wird im späteren Fall Olivia noch eine gewisse Rolle spielen, die ihre Karriere auch beenden wird.