UNVERZAGT – BROSZEHL – FELDMANN – HAVE – REICH
Rechtsanwälte

Herren Rechtsanwälte
Mendel und Dr. Jötten
Von-Beckerath-Platz 4
47799 Krefeld

Hamburg, den 13.06.1996

Drehbuch/Filmprojekt „Olivia“

 

Sehr geehrte Herren Kollegen,

in vorbezeichneter Angelegenheit zeigen wir an, daß wir durch die Firma Arena Aktuell Film und TV GmbH, Humboldtstraße 103, 22083 Hamburg, mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt worden sind. Das Vorliegen einer auf unseren Büro lautenden Vollmacht wird anwaltlich versichert.

Ihr Schreiben vom 11. Juni 1996 an unsere Mandantschaft liegt uns vor. Wir gehen weiter davon aus, daß Ihnen und Ihrem Mandanten das Drehbuch bekannt ist, da Sie sich auf Einzelheiten dieses Drehbuches beziehen. Ihre in Ihrem Schreiben vom 11. Juni 1996 wiedergegebene Auffassung ist unzutreffend. Ganz offensichtlich verkennen Sie die Sach- und Rechtslage:

Bei Herrn Dr. Hamer handelt es sich um eine Person der Zeitgeschichte im Sinne der §§ 22 ff Kunsturhebergesetz (KUG). Von einem rechtswidrigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte Ihres Mandanten kann keine Rede sein. Sie wissen sehr genau, daß Personen der Zeitgeschichte es gemäß § 23 Abs. 1 Ziffer 1 hinnehmen müssen, vorliegenden Drehbuch „Das Mädchen Olivia“ und dem zukünftig darauf basierenden Filmwerk (BverfGE 30, 173 – Mephisto; OLG Hamburg, Urt. v. 23.4.1996 (Az. 7 U 61/94)). Ihr Mandant kann sich als Person der Zeitgeschichte deshalb nicht dagegen zur Wehr setzen, in dem hier streitigen Drehbuch dargestellt zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Mephisto-Entscheidung (BverfGE aaO) unmißverständlich festgestellt, daß § 23 Abs. 1 Ziffer 1 KUG auch im Rahmen von künstlerischen Werken entsprechende Anwendung findet.

Da es sich bei dem Drehbuch um ein Kunstwerk im verfassungsrechtlichen Sinne (Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz) handelt, unterliegt dieses Drehbuch – anders als eine reine Berichterstattung – nicht den Schranken des Artikel 5 Abs. 2 GG und damit keiner Richtigkeitskontrolle. Ein Kunstwerk darf gerade nicht darauf hin überprüft werden, ob die darin wiedergegebenen Äußerungen der Beteiligten „wahr“ oder „falsch“ sind. Dies verkennen Sie in Ihrem Schreiben vom 11. Juni 1996. Diese Auffassung wurde uns kürzlich von dem Landgericht Hamburg und dem Oberlandesgericht Hamburg, in dem Ihnen sicherlich ebenfalls bekannten Schreiben „Peanuts“ bestätigt. Auch der Bauunternehmer Dr. Schneider konnte sich nicht dagegen zur Wehr setzen, daß gegen seinen Willen eine Satire über seine Person gedreht worden ist. Nichts anders gilt für Ihren Mandanten, auch er hat den verfassungsgrechtlichen Schutz des Kunstfreiheit i.S.d. Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 GG zu beachten. Wenn er sich z.T. bewußt durch wiederholte Interviews in einer fragwürdigen Form in der Öffentlichkeit darstellt, muß er es auch hinnehmen, in dieser Form im Rahmen eines Kunstwerks dargestellt zu werden.

Das Bundesverfassungsgericht führt in diesem Zusammenhang in der Mephisto-Entscheidung aus:

„Das wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formsprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden. (…) Die Wahrheit des einzelnen Vorgangs kann und muß unter Umständen der künstlerischen Einheit geopfert werden.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Dieses Ergebnis gilt um so mehr, als unsere Mandantin keineswegs beabsichtigt, eine „wahre Geschichte“ zu erzählen. Dieses hat unsere Mandantin zu keinem Zeitpunkt behauptet und wird dies auch im Vorspann des Filmes klarstellen. Unsere Mandantin beabsichtigt, einen Film frei nach den Ereignissen um die Familie Pilhar zu drehen, keineswegs verfolgt sie das Ziel, diese Ereignisse realitätsgetreu darzustellen. Dies wird der Zuschauer in einem Vorspann des Filmes auch erfahren; er wird deshalb nicht zu der Annahme verleitet werden, die in dem Fall wiedergebenen Tatsachen hätten sich bis in die Einzelheit auch tatsächlich so abgespielt.

Wir weisen Ihren Mandanten unmißverständlich darauf hin, daß jegliche weitere Bemühungen von Unterlassungsansprüchen gegen unsere Mandantin rechtswidrig sind. Derartige Unterlassungsansprüche stehen Ihrem Mandanten nicht zu. Wir erwarten deshalb bis zum 18. Juni 1996 12:00 hier eingehend eine Erklärung Ihres Mandanten, daß er sich derartige Ansprüche nicht mehr berühmt. Sollte die vorbezeichnete Frist fruchtlos verstreichen, wird unsere Mandantin das Nichtbestehen der von ihrem Mandanten geltend gemachten Ansprüche im Wege einer negativen Feststellungsklage klären lassen. Unsere Partei wird gleichzeitig feststellen lassen, daß Ihr Mandant zum Ersatz des gesamten Schadens verpflichtet ist, der durch sein bisheriges und zukünftiges Verhalten entstehen wird. Sollte Ihr Mandant die Durchsetzung seiner – nicht bestehenden – Ansprüche im Wege einer einstweiligen Verfügung beabsichtigen, weisen wir bereits jetzt darauf hin, daß wir die unserer Mandantin zustehenden Schadensersatzansprüche gemäß § 945 ZPO durchsetzen werden. Darüber hinaus werden wir – selbst wenn es Ihren Mandanten unter Vortäuschung falscher Tatsachen gelingen sollte, eine einstweilige Verfügung zu erwirken – die Vollziehung der einstweiligen Verfügung von einer Sicherheitsleistung nicht unter 2,5 Millionen DM abhängig machen. Denn dies ist die untere Grenze des unserer Mandantin drohenden Schadens. Gleichzeitig weisen wir Ihren Mandanten auch darauf hin, daß wir eine rechtliche Auseinandersetzung bis zum Bundesgerichtshof fortsetzen werden, um eine endgültige Klärung dieser Angelegenheit herbeizuführen. Vor diesem Hintergrund sollte es sich Ihr Mandant genau überlegen, ob er tatsächlich beabsichtigt, seine angeblichen Ansprüche durchzusetzen.

Um allerdings zu zeigen, daß unsere Mandantin an einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht interessiert ist, wird folgendes klargestellt bzw. das Drehbuch wie folgt abgeändert:

  • Das Wort „Praxis“ wird in dem Drehbuch nicht erwähnt. Es wird auch der Eindruck vermieden, Herr Dr. Hamer besitze eine Praxis in Köln.
  • In dem Drehbuch ist keine Behauptung enthalten, Herr Dr. Hamer besitze eine Sprechstundenhilfe. Tatsächlich ist nur von einer „Assistentin“ die Rede.
  • Seite 90/91, Bild 56 wird voraussichtlich sinngemäß dahingehend abgeändert, daß die Formulierung heißt: „Bei der Ärztekammer sollen sich schon 40 Leute gemeldet haben, die schlechte Erfahrungen mit Dr. Hamer und seinen Methoden gemacht haben„. Diese Behauptung läßt sich – auch wenn es hierauf nicht ankommt – belegen.
  • Ihr Mandant wird nicht als „Wunderheiler“ bezeichnet.
  • Die Darstellung, daß die Figur des Dr. Hamer in dem Drehbuch jemanden ohrfeigt, ist – auch wenn es in diesem Fall ebenso nicht darauf ankommt – in tatsächlicher Hinsicht verbürgt [Anm: Dr. Hamer hat niemanden geohrfeigt!]. Diese Darstellung ist im übrigen aus dramaturgischen Gründen erforderlich und zulässig (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG).

Sollten Sie ein gerichtliches Vorgehen wünschen, benennen Sie uns als Prozeßbevollmächtigte.

Mit kollegialer Empfehlung

Harro von Have
Rechtsanwalt


Anmerkung von H. Pilhar

In unserem Film-Vertrag steht:

Die TV-gerechte Aufarbeitung des Falles soll sich demnach am Ablauf der Ereignisse aus der Sicht der Eltern und des Kindes Olivia orientieren. Hiezu ist es erforderlich, eine möglichst detailgetreue und realitätsnahe Darstellung des Sachverhaltes unter Namensnennung der betroffenen Personen zu wählen.

Erika und Helmut Pilhar steht ferner das Recht zu, beratend an der Erstellung des Drehbuches und des Filmes mitzuwirken und auf allfällige Diskrepanzen zu den tatsächlichen Vorgängen hinzuweisen, um die im Pkt. II. erwähnte realitätsnahe Ausführung zu gewährleisten.

In diesem Schreiben von der Rechtsvertretung Arena Film an die Rechtsvertretung Dr. Hamer liest es sich ganz anders!

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