Dr. Willibald Stangl

Amtsarzt
Wildgasse 7
3430 Tulln

Tulln, 31. März 1993

An den
Präsidenten der Steiermärkischen Ärztekammer
Dr. Wolfgang Routil

 

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ihr Schreiben vom 26. Februar 1993 habe ich erhalten und war überrascht eine Antwort von Ihnen und nicht vom Dekan der medizinischen Fakultät Graz (nicht Wien) zu erhalten.

Am 23. März 1993 führte ich mit Herrn Dr. Hammer von der Steiermärkischen Ärztekammer ein längeres Gespräch, wobei ich meinen Standpunkt zur Schulmedizin bzw. auch zu den Beobachtungen des Herrn Dr. Hamer klarstellte.

Vorausschicken möchte ich, daß ich persönlich nicht das geringste Interesse an harten Konfrontationen habe.

Wie bereits in meinem Schreiben an den Dekan ausgeführt, versuche ich grundsätzlich Flexibilität an den Tag zu legen und neue Erkenntnisse – ob von der Schulmedizin oder anderswoher – auf Richtigkeit zu überprüfen soweit es meinen Tätigkeitsbereich betrifft. So auch die Thesen des Herrn Dr. Hamer, die mir wiederholt von Patienten mitgeteilt wurden bzw. mir auch im amtsärztlichen Bereich unterkamen.

Deshalb habe ich mich damit ausführlich beschäftigt, begleitend dazu die Embryologie, Anatomie, Neurologie und Histologie wiederholt und intensiv cerebrale Computertomogramme studiert. Erst dann begann ich an Patienten die behaupteten Erkenntnisse des Herrn Dr. Hamer nachzuvollziehen. Da ich eine kleine Praxis (keine Kassen) führe, habe ich ausreichend Zeit für die Anamneseerhebung und versuche Ursachen von Organerkrankungen durch Konflikte zu finden. Ergänzende Laborbefunde und CCTs sind dabei hilfreich und notwendig. Dabei machte ich die Feststellung, daß je nach Aussagekraft und Intelligenz der Patienten – die Beobachtungen des Dr. Hamer hinsichtlich Diagnose stimmen und nachvollzogen werden können. Die Diktion – alles wird als Karzinom bezeichnet – ist auch für mich ungewöhnlich. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die ursächliche Zuordnung der Konflikte zu den Organerkrankungen durch den Patienten selbst! („seit diesem fürchterlichen Schockerlebnis bin ich krank„)

Das weitere Vorgehen hinsichtlich Behandlung und Prognose ist naturgemäß äußerst verantwortungsvoll und auch rechtlich zu beachten. Eine Konfliktlösung ist sicher allemal anzustreben, sofern eine solche überhaupt möglich ist. Gelingt sie, sind die Behandlungsergebnisse optimal!

Ein großes Problem jedoch sind jene Patienten, die sich ohne alternativmedizinisches Zutun – von schulmedizinischer Behandlung abgewendet haben (Verweigerung einer Operation, einer Strahlenbehandlung oder Abbruch einer Zytostatikatherapie). Es liegt mir ferne onkologische Stationen pauschal zu verurteilen, aber nicht wenige sind gefürchtet und werden von den Patienten gemieden. Wie bereits mit Herrn OMR Dr. Hammer im Telefonat besprochen, läßt offenbar die ärztlich-menschliche Betreuung auf diesen Stationen so zu wünschen übrig, daß viele Patienten flüchten und nicht mehr zu einer Therapiefortsetzung zu bewegen sind. Ein Ausspruch, den mir vor kurzem ein todkranker Akademiker im Zuge eines Hilflosenbegutachtungsverfahrens sagte: „Ich … lege artis!“ [Anm.: nicht entzifferbar] Das hat mich sehr betroffen und nachdenklich gemacht.

Welche Antwort würden Sie, Herr Kollege schließlich solchen Menschen geben, die schulmedizinisch austherapeutisiert sind und zum Sterben nach Hause geschickt wurden, die sich aber an jeden Strohhalm klammern und jegliche alternative Behandlung als letzte Hoffnung akzeptieren? Diese Patienten tauchen überall auf und nicht nur bei Dr. Hamer, wo sie sich offensichtlich gut verstanden fühlen.

Unser (verstorbener) Lehrmeister Prof. Dr. Fuchsig / I. Chirurgie AKH Wien hat uns im Rahmen seiner Vorlesungen immer darauf hingewiesen, wie wichtig das Anhören des Patienten ist und wie behutsam man mit der Psyche dieser uns anvertrauten Menschen umzugehen hat („Um Gottes Willen keine harten Prognosen!!„), um nicht den Erfolg eines Eingriffes zu gefährden. Weiters verlangte er von uns Einfühlungsvermögen, Flexibilität und Progressivität, was gut ist und hilft soll beibehalten werden!

Nicht nur Dr. Hamer, sondern auch die Homöopathen, Psychologen bzw. Psychotherapeuten haben sich längst auf diesen Umstand eingeschossen und erkannt, daß das Hauptübel aller Krankheiten doch im seelischen Bereich gelegen ist, daher Konflikterfassung und Lösungsversuche. Die Schulmedizin aber entfernt sich mehr und mehr von dieser fundamentalen Erkenntnis, behandelt meist nur erkrankte Organe und sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

Mein Grundsatz

  1. Ich prüfe alles, soweit es mir möglich ist. Wenn es gut ist und Bestand hat, werde ich es anwenden, auch wenn es nicht die geltende Lehrmeinung ist!
  2. Ich versuche alles zu dokumentieren, um es für jedermann (auch für das Gericht) nachvollziehbar zu machen. (Anamnese, Diagnose, CCTs, Laborbefunde, Therapie und Verlauf).

Wenn nun Herr Dr. Hamer als Scharlatan eingestuft wird, in Deutschland Berufsverbot hat, kriminell und im höchsten Maß bedenklich ist und seine Thesen als abstrus, wirr öder skurril bezeichnet werden, dann frage ich mich, warum Sie als Präsident der Steiermärkischen Ärztekammer den Stier nicht schon längst bei den Hörnern gepackt haben und all die unbewiesenen Behauptungen durch – wohlgemerkt – unvoreingenommene Kollegen in einer Langzeitstudie sachlich überprüfen ließen? Ein intensiver gegenseitiger Gedankenaustausch sine ira et studio würde dann die Richtigkeit oder das Gegenteil beweisen. Es kommt immer darauf an, ob man will und wie man es angeht. Ihre Antwort, es seien keine Ansatzpunkte für eine derartige Überprüfung erkennbar ist. m.E. ein Armutszeugnis und eine Bankrotterklärung schlechthin. Wenn ich als „kleiner Bader“ in meinem bescheidenen Umfang Dokumentation betreibe (s.o.) und schließlich sagen kann, daß Konflikte, Hirn CT und Organerkrankungen übereinstimmen und der Patient nach gelungener Konfliktlösung gesund wird, dann kann es für eine Klinik oder ein anderes Gremium wohl auch kein Mirakel sein so etwas nachzuvollziehen.

Zur Zeit beobachte ich zwei inoperable Hirntumore (männlich 64 a, weiblich 32 a), welche von der Klinik als infaust weggeschickt worden sind, vier Fälle von spinaler Muskelatrophie (1, 2×2 und 3 Jahre), drei Fälle von MS, zwei Fälle von Grandmal Epi, ein Ovarialkarzinom (25a), ein Bronchialkarzinom, zwei Sarkome (10 a männlich, 60 a weiblich), mehrere cerebrale Insulte, ein Hypernephrom, ein Nierenkarzinom, mehrere operierte Mammacarcinome und der tägliche Anfall von Infekten, Pneumonien, Asthma, Neurodermitis, kindlicher Diabetes u.a. Diese Menschen werden vielfach von Kollegen behandelt, die sich auch mit den Beobachtungen des inkriminierten Dr. Hamer auseinandergesetzt haben, in der normalen Kassenpraxis aber nicht ausreichend Zeit finden, sich mit der Konflikterhebung und CCT auseinanderzusetzen. Dieses Teamwork funktioniert gut. Die Patienten selbst (bzw. Eltern der Kinder) sind voll informiert und zur Zeit läuft alles planmäßig. Ich werde nach Ablauf eines Jahres Resümee ziehen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Ich scheue keine sachliche Diskussion, bin nicht jemand, der mit Feuer und Schwert dem anderen seine Meinung aufzwingen will, attackiere keine Kollegen und suche immer den Konsens, liebe es andererseits aber nicht, geschulmeistert zu werden (Ihr letzter Absatz: Wink mit dem Zaunpfahl!). Sowohl die NÖ Ärztekammer wie auch die Landessanitätsdirektion hat mein Schreiben schon längst in den Händen. Ich bin zu lange im medizinisch/amtsärztlichen Bereich tätig, um zu wissen, wo meine Grenzen sind und lasse mich nicht wegen einer anderen Haltung kritisieren. Ich mache mich für niemand stark und habe bei allfälligen neuen Erkenntnissen lediglich das Wohl meiner mir anvertrauten Patienten im Auge! Übrigens gibt es in Österreich u.a. ein Staatsgrundgesetz, welches besagt, Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.

Abschließend darf ich bemerken, daß Ihr Brief Seltenheitswert besitzt, ich werde ihn sorgsam aufbewahren!

Mit freundlichem Gruß und
kollegialer Hochachtung

Stangl

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