Abschrift!

Eingangsstempel
Medizinische Fakultät
Universität Tübingen
2. Mai 1996

Eberhard Karls Universität Tübingen
Medizinische Klinik und Poliklinik

Medizinische Klinik, Abteilung II
Otfried-Müllerstr. 10
D 72076 Tübingen

Abteilung und Lehrstuhl II
Hämatologie, Onkologie, Immunologie und Rheumatologie
Ärztlicher Direktor
Prof. Dr. med. Lothar Kanz
Otfried-Müllerstr. 1 0
D 72076 Tübingen
Telefon +49/7071/29-2726
Telefax 29-3671
E-mail Lothar Kanz@uni-tübingen de

25.April 1996

Dekan der
Medizinischen Fakultät
der Universität Tübingen
Herrn Prof. Dr. H.D. Becker
Geissweg 3
72076 Tübingen

Betrifft:

Habilitationsverfahren von Herrn Dr. med. Ryke Geerd Hamer aus Köln

Spectabilis
Sehr geehrter Herr Kollege Becker

gerne bin ich bereit, im folgenden als Gutachter zum oben genannten Habilitationsverfahren Stellung zu nehmen.

Folgende Unterlagen stehen mir hierbei zur Verfügung:

  • Habilitationsschrift „Die Eiserne Regel des Krebs“ sowie ferner ergänzendes Material,
  • „Kurzfassung der Neuen Medizin (Stand 1994) zur Vorlage im Habilitationsverfahren
  • „Wissenschaftlichen Tabellen der Neuen Medizin“
  • „Celler Dokumentation“
  • Tonkassette „Krebs und krebsähnliche Erkrankungen“
  • Buch „Vermächtnis einer Neuen Medizin“

Herr Dr. Hamer stellt eine Theorie der Krebsentstehung dar, die auf Kasuistiken von Patienten mit malignen Erkrankungen beruhen, sowie – in den neueren Dokumentationen – zusätzlich auf Schädel-Computertomographien. Hieraus leitet er fundamentale diagnostische und therapeutische Konsequenzen für die betroffenen Patienten ab. Dabei sieht der Verfasser in einer schweren Konfliktverdichtung mit Isolation (räumlich, familiär, innerlich) die wesentliche Komponente der Malignomentstehung, wobei über einen akut resultierenden Programmierungsfehler im ZNS periphere Zellen entarten. Hierbei bestimmt der Konfliktinhalt die Lokalisation des Tumors, und der Verlauf des Konfliktes bestimmt dann den Erkrankungsverlauf. Die Erkennung des Konfliktinhaltes sei der Weg zur Behandlung des Krebsleidens, nämlich die Bewältigung der Konfliktsituation mit konsekutivem Verschwinden der Krebsansammlungen.

Die üblichen Regeln für die Abfassung einer Habilitationsschrift werden nicht beachtet (Aufbau, insbesondere Darlegung der Fragestellung; Fehlen von Literaturzitaten; Anhäufung von Dokumenten, wie „Kurzfassung“, Tonkassette, Dokumentation) insbesondere fehlt eine epikritische Wertung.

Der Verfasser zeigt sich hinsichtlich der Bedeutung seiner Hypothese keineswegs bescheiden. So spricht er vom notwendigen Umschreiben sämtlicher Medizinbücher, vom gewaltigsten medizinischen Erdrutsch im letzten Jahrhundert oder von der Vergleichbarkeit der Bedeutung Hamerscher Herde mit dem Periodensystem der Elemente.

Eine derartige neue Sicht von Krankheitsentstehung und Krankheitsbehandlung wäre als Habilitationsleistung nur dann diskutabel, wenn sie sich einerseits analytisch mit dem derzeit naturwissenschaftlichen Erkenntnisstand auseinandersetzen würde, sowie nachweislich – d.h. im Sinne dokumentierter, in sog. „Peer reviewed“- Journalen publizierter und langzeit verfolgter Daten – den betroffenen Patienten Hilfe bringen, die zumindest den Ergebnissen der derzeit praktizierten Medizin entsprechen. Derartige Evaluationen fehlen.

Die fehlende argumentative Auseinandersetzung mit den derzeit naturwissenschaftlich begründeten Diagnosen und Behandlungsstrategien zeigt sich insbesondere auch in Ausführungen des Buches „Vermächtnis einer Neuen Medizin„, wo im Rahmen zum Teil emotionaler Äußerung gegenüber sog. Schulmedizinern klare Fehleinschätzungen offenkundig werden. So wird z.B. die Knochenmarkstransplantation als die „vielleicht allerschlechteste, brutalmedizinische Teufelsaustreibung der Onkologiebrüder“ bezeichnet, weil die Stammzellen vor der Transplantation letal bestrahlt würden und deswegen nur wenige Prozent der Patienten überleben könnten. Dem Verfasser ist offensichtlich nicht bekannt, daß die asservierten autologen oder allogenen Stamm-Zellen natürlich nicht bestrahlt werden, und erst nach Konditionierung des Patienten appliziert werden, und die Überlebensquote des Verfahrens je nach Grunderkrankung zwischen 75 und 98% liegen.

Von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Medizin sollten Verbesserungen für den Patienten hinsichtlich Prävention, Diagnose und Therapie von Erkrankungen erwartet werden.

In dieser Hinsicht ergeben sich jedoch aus den abgeleiteten Konsequenzen der Hypothese von Dr. Hamer zum Teil schlichtweg gefährliche, unverantwortliche und gesundheitspolitisch zum Teil verwerfliche Empfehlungen, die in keinerlei Hinsicht mit den naturwissenschaftlich begründeten und gesicherten Erkenntnissen vereinbar sind. Folgende Beispiele seien aufgeführt:

Einstufung der Korrektur symptomatischer Krebserkrankungen auf organischer Ebene als „allergrößter Fehler“. Hierbei wird insbesondere der chirurgische Eingriff kritisiert.

Einschätzung von Hepatitisviren nicht als gefährlicher Krankheitserreger (mit allen Konsequenzen für die Prävention), sondern als Vehikel des Organismus zur Optimierung des Krankheitsverlaufs).

Bewertung von Mykobakterien nicht als pathogene Keime, sondern als Effektoren der Elimination von Krebsherden.

Prinzipielle Ablehnung der Chemotherapie und der Opiatapplikation im Rahmen der Tumorbehandlung

Wertung von Carcinogenen, inklusive Rauchen, als für die Tumorentstehung irrelevant.

Unter Wertung des zur Verfügung stehenden Materials sowie der oben aufgeführten Einzelaspekte stellt die schriftliche Habilitationsleistung des Herrn Dr. R. Hamer weder bezüglich Problembewußtsein und analytischer Kraft des Autors, noch hinsichtlich faßbarer Forschungsergebnisse eine wissenschaftliche Leistung dar, zumal die Hypothese nicht auf dem Hintergrund der vorhandenen Literatur und der derzeitigen naturwissenschaftlich begründeten Vorgehensweisen in der Medizin diskutiert werden.

Ich empfehle der hohen Medizinischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen die Ablehnung der vorliegenden Werkes als Habilitationsschrift.

Prof. Dr. L. Kanz
Ärztlicher Direktor

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