Gegen 8:00 Uhr wurden wir geweckt. Während der vergangenen Nacht wurden die Infusionsspritzen laufend ergänzt. Das Piepsen des Perfusors weckte mich unzählige Male. Olivia schien dadurch nicht gestört worden zu sein. Mehrere Nächte hatte sie bereits ohne Erbrechen durchschlafen können. Es schien, als wäre primär die Magensonde bzw. die über diese zugeführte Intensivernährung für ihre Übelkeit verantwortlich gewesen.
Ein Frühstück hatten wir heute nicht erhalten. Ich vermute aus Versehen, es war mir aber zu dumm, diesem nachzulaufen. Olivia hatte am Morgen sowieso keinen Appetit, und ich hatte vor, während Olivia in der Schule war, mich ins Cafe zu begeben.
Olivia brachte ich dann mit dem vollen Infusionsständer in das Klassenzimmer.
Nachdem ich aus dem Cafe zurückkam, war die Visite mit Prof. Urbanek auf dem Gang und Olivia saß, in einem Buch lesend, allein im Zimmer. Sie erklärte, auf die Visite zu warten.
Die Visite betrat unser Zimmer und Prof. Urbanek sowie Frau Dr. Slavc sprachen lieb auf Olivia ein. Auf die Frage wie es mit ihrem Bauch stünde, meinte sie, besser, obwohl sie zuvor, gleich nach dem Wachwerden, über Bauchschmerzen klagte. Was sollte ich einwenden? Die Ursache dieser Schmerzen konnten die Ärzte ja bisher nicht finden.
Meine vordringlichste Sorge galt der drohenden Magensonde. Professor Dr. Urbanek beschwichtigte aber, dass diese vorerst nicht geplant sei. Man solle Olivia aber auch nicht zu sehr zum Essen zwingen.
Erwähnen wollte ich noch die kommende Chemopause nach dieser Woche. Dass die Leukozyten einen Tiefstand erreichen könnten, schloss Prof. Urbanek nicht aus. Auch könnten die Schleimhäute Olivia wieder Probleme bereiten.
Prof. Urbanek hatte meiner Meinung nach hellgraue Ringe unter den Augen, als stünde er seit längerem unter Belastung. Vielleicht aber täuschte ich mich auch.
Zu mir gewandt meint er weiters, dass er wieder unter massivem Druck der ausländischen Presse stünde und nun, aus Rücksicht auf Olivia, beabsichtige, dieser mitzuteilen, dass das AKH sowie wir Eltern Zurückhaltung üben wollten.
Mir wurde sofort klar, dass er uns bevormunden wollte und versuchte ausweichend auf die gegenseitige Übereinstimmung hinzuweisen, keine Reporter zu Olivia vorzulassen. Er stieg nicht darauf ein und konkretisierte nochmals seine Absicht, auch für uns Eltern sprechen zu wollen. Den Kopf schüttelnd, betonte ich, dass wir nach wie vor gegen die Chemo eingestellt sind und unsere Meinung auch kundtun werden. Sofort wandte sich Prof. Urbanek von mir ab, Olivia zu und fragte sie, ob sie auch schon brav mit der Flöte geübt habe, da sie zu Weihnachten ein kleines Stück vorspielen sollte.
Es war klar, dass wir mit dem Nachhausegehen von Olivia erpresst wurden.
Erika und Elisabeth waren gegen 10:00 Uhr gekommen.
Telefonat mit Mag. Rebasso:
Bezüglich der Zahlungsklage von Wegrostek bräuchte ich mir keine Sorgen zu machen. Er hätte bereits gegen die Klage Einspruch erhoben und meinte, dass aufgrund dieses Fehlers die Kanzlei Wegrostek nun an uns Kostenersatz leisten müsste.
Betreffend den Psychiater: Er müsse erst mit Prof. Pazl telefonieren. Den Vorschlag von Dr. Loibner, ihn selbst als sachverständigen Zeugen zu laden, hielt er für nicht durchführbar, da dies nur in einem Zivilverfahren möglich wäre. Hier handle es sich jedoch um ein Strafverfahren.
Betreffend Pressevorgehen: Um Dr. Loibner nicht entgegenzuarbeiten, sollten wir uns am kommenden Wochenende nochmals besprechen.
Betreffend „swiss-news“: Diese solle einen Vertrag aufsetzen, den er dann ansehen werde. Damit könnten wir Zeit und Geld sparen.
Telefonat mit Herrn Bohusch, „zib1“:
Terminvereinbarung 16.11., 10:00 Uhr. Im Krankenzimmer sollte ich mit meiner Kamera Aufnahmen von Olivia machen. Hierfür erhalte ich eine Hi8-Kasette von ihm. Im Klassenzimmer wird ein Kameramann drehen. Natürlich musste sich Herr Bohusch selbst um die Dreherlaubnis im AKH kümmern. Diese verlangte ich in schriftlicher Form.
Natürlich, wenn sich der „orf“ selbst um Filmerlaubnis bemühte, wurde seitens des AKH nichts in den Weg gelegt. Sämtliche Verbote von Reporterbesuchen wurden annulliert, bzw. wurde darüber nicht mehr gesprochen, als hätte es diese niemals gegeben!
Elisabeth wollte nicht ohne Olivia in den Kindergarten. Alle bisherigen Versuche scheiterten kläglich.
Für heute 17:00 Uhr war ein Laternenfest der Kindergartenkinder vorgesehen, und da auch die kleine Nina D. dabei war, versuchten wir erneut, Elisabeth durch dieses Ereignis auf den Kindergarten aufmerksam zu machen. Leider kamen wir zu diesem Fest ein wenig zu spät, und Elisabeth erhielt keine Laterne, trotzdem gingen wir mit diesem Kinderzug mit in die Kirche. Vermutlich verspürte Elisabeth wiederum keinen Anreiz.
Um 19:00 Uhr war eine außerordentliche Pfarrgemeinderatssitzung in Maiersdorf vorgesehen. Zum Thema stand die Diskussion über den umstrittenen, derzeitigen Pfarrer von Maiersdorf. Anwesend waren auch der zuständige Vikar, der Bürgermeister, sowie nicht eingeladene, aber engagierte Dorfbewohner. Die Diskussion verlief hitzig, denn im Laufe der Zeit haben unzählige unschöne Vorfälle die Wut der Bevölkerung über diesen Pfarrer gesteigert. Der Pfarrer selbst machte bei dieser Diskussion keine gute Figur, im Gegenteil, er zeigte viel von seinem anscheinend wahren Wesen. Er wurde der blanken Lüge bezichtigt, um einen relativ harmlosen Vorwurf zu nennen. Selten noch hatte ich den Volkszorn so hautnah miterlebt.
Nach dieser emotionalen Debatte, ging die Diskussion im nahen Cafe weiter. Allgemein war das Gefühl eines Triumphes über diesen Geistlichen spürbar.
Erikas Tagebuchnotizen:
Während der Nacht erbrach sie wieder. Der Appetit ging wieder zurück.