Eine Frau stirbt unter Qualen an Krebs. Sie glaubte an die seltsamen Methoden der „Neuen Medizin“.

Von Hugo Stamm

Zürich. – Immer wieder vertrauen sich Krebspatienten in ihrer Verzweiflung den umstrittenen Therapeuten der „NEUEN MEDIZIN“ an. Und immer wieder sterben Patienten auf menschenunwürdige Weise. Nachgerade typisch ist das tragische Beispiel einer 45-jährigen Krankenschwester, die im Mai 1997 einen kleinen Knoten in der Brust entdeckte. Mit einem operativen Eingriff wollten die Ärzte klären, ob die Geschwulst bösartig sei. Nach mehreren Stunden erwachte die Frau in der Intensivstation – ohne linke Brust. Die Chirurgen mussten nicht nur die Brust amputieren, sondern auch eine befallene Lymphdrüse entfernen. Aus Angst vor dem Haarverlust verweigerte die Krankenschwester sowohl Chemotherapie als auch Bestrahlung.

Angst vor Medikamenten

Von einem auf Naturheilmittel spezialisierten Arzt liess sie sich immerhin das Krebsmittel Iscador verschreiben, doch sie setzte es nach kurzer Zeit ab. Auch Iscador sei Gift, sagte sie ihrer Mutter. Heute weiss diese, dass sie damals hätte hellhörig werden müssen. Denn ihre Tochter hatte inzwischen Kontakt zu Verkündern der „NEUEN MEDIZIN“ und vertraute ihnen. Ein paar Monate später zeigte die Krankenschwester ihrer Mutter einen kleinen Knoten unter der linken Achsel. Nichts Gefährliches, beruhigte die Tochter ihre Mutter. Nur eine Stauung, habe ihr Therapeut gesagt. Die Ärzte rieten zu einer sofortigen Untersuchung, doch die Tochter sagte, sie brauche keine medizinische Hilfe, sie wende die Methode der „NEUEN MEDIZIN“ an. Als sich die Tochter zurückzog, um sich auf die Heilung zu konzentrieren, wie sie sagte, wurde die Mutter zwar stutzig. Da sie die „NEUE MEDIZIN“ nicht kannte, akzeptierte sie aber den Entscheid der Tochter und hoffte auf eine baldige Erholung.

Am Telefon bestätigte die Tochter stets, sie sei auf dem Weg zur Besserung. Fünf Monate später kam ein versteckter Hilferuf. Die Mutter fuhr sofort zu ihr – und erschrak zu Tode, als sie die Tochter schlafend auf dem Sofa sah. „Um nicht laut loszuschreien, musste ich noch einmal aus der Wohnung“, sagte sie. „Da lag ein mit Haut überzogenes Skelett, eine alte Frau von 90 Jahren. Das Dickste an ihr war der Arm. Sie hatte unsägliche Schmerzen. Als ich sie wusch, sah ich, dass die linke Seite von der Brust bis zum Rücken eine einzige schwärende, eiternde, stinkende faule Wunde mit tiefen Kratern war.“

Sie schrie pausenlos

Die Tochter verweigerte die Einlieferung ins Spital, weil sie Angst hatte, man gebe ihr gegen ihren Willen Medikamente. Für die Verfechter der „NEUEN MEDIZIN“ schwächt das die Selbstheilungskräfte. Die Mutter übernahm nun die Pflege ihrer Tochter. Als die Schmerzen nach wenigen Tagen unerträglich wurden und die Tochter pausenlos schrie, willigte die Patientin in die notfallmässige Einlieferung ins Spital ein. Nach drei Tagen starb sie. Sie glaubte bis zuletzt an die Versprechen der „NEUEN MEDIZIN“ und sprach noch am Tag vor dem Tod von der baldigen Genesung.

Arlette Büchel aus Herisau, die Repräsentantin der „NEUEN MEDIZIN“ in der Schweiz, weist alle Verantwortung von sich. Sie bestätigte, dass die Krebspatientin auch einmal ihre Praxis aufgesucht und mehrmals mit ihr telefoniert hatte. „Ich wusste, dass sie keine Überlebenschance hatte. Wenn die Brust bereits amputiert ist, können wir nichts mehr machen“, erklärte sie. Aber den Rat, ins Spital zu gehen, um menschenwürdig zu sterben, hat sie ihr nicht gegeben. Denn für die Vertreter der „NEUEN MEDIZIN“ sind Ärzte Verbrecher.

Schock soll Krebs bewirken

Die „NEUE MEDIZIN“ ist vom umstrittenen deutschen „Wunderheiler“ Geerd Hamer „erfunden“ worden. Hamer behauptet, Krankheiten wie Krebs würden durch schockartige Konflikte ausgelöst. Die Patienten müssten nur die psychischen Ursachen beseitigen, um rasch zu genesen. Die Ärzte hingegen würden die Krebspatienten mit Chemotherapie und Bestrahlung umbringen, behauptet Hamer. Für die Anhänger der „NEUEN MEDIZIN“ sind Schmerzen Ausdruck des Heilungsprozesses. Hamer wurde die Zulassung als Arzt entzogen. Ausserdem ist er bereits zweimal zu Gefängnisstrafen verurteilt worden. (sta.)

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