Bis hin zu Morddrohungen

München (AP). Auf dem Markt für teure Krebsmedikamente herrschen nach Erkenntnissen von Krankenkassen zumindest in Norddeutschland mafiaähnliche Zustände.

„Wir gehen von organisierten Strukturen aus“, erklärte der Sprecher der AOK in Niedersachsen, Klaus Altmann, dem Nachrichtenmagazin ‚Focus‘. „Wir haben Hinweise, daß der Markt für hochpreisige Medikamente im Bereich Zytostatika und künstliche Ernährung fast komplett in der Hand weniger Apotheken, Ärzte und Vermittlerfirmen ist.“ Die Krankenversicherungen rechneten mit einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe, hieß es.

In Niedersachsen, Hamburg und Bremen sind seit längerem Ermittlungen im Gang. Eine Firma in Lüneburg soll Ärzte veranlaßt haben, für die künstliche Ernährung von Krebskranken übertriebene Mengen im Wert von 800 bis 1000 Mark pro Tag zu verordnen – auch dann noch, als die Patienten gestorben waren. Der AOK fiel auch auf, daß eine Lüneburger Apotheke Medikamente für Krebspatienten in ganz Niedersachsen abrechnete.

Es besteht der Verdacht, daß solche Rezepte über Servicefirmen an Apotheken gegeben wurden, die bei den Krankenversicherungen abkassierten, ohne daß die verordneten Mittel jemals an Kranke gelangten. In Bremen wird ermittelt, weil AIDSkranke Rezepte gegen Bargeld an Apotheken verkauft haben sollen. Ärzte sollen das Zwei- bis Dreifache der notwendigen Medikamentenmengen verschrieben haben.

‚Focus‘ schrieb, die „Keimzelle des Klüngels“ in Niedersachsen scheine die Medizinische Hochschule Hannover zu sein. Die mutmaßlich an den dubiosen Millionengeschäften beteiligten Ärzte hätten sich dort einst kennengelernt. Dem Blatt zufolge bestätigte die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen einen Professor, der früher an der Hochschule tätig war.

Ein Apotheker sagte, er habe regelmäßig die Hochschule und das Siloah-Krankenhaus mit teuren Krebsmedikamenten beliefert. Dann seien plötzlich keine Rezepte mehr gekommen. Schließlich sei er auf den Vorschlag eines Arztes eingegangen, dessen Pharmafirma an seinem Verdienst mit Krebsmedikamenten zu beteiligen, „und prompt lief das Geschäft wieder wie geschmiert“. Der Geschäftsführer der niedersächsischen Apothekerkammer, Götz Schütte, erhielt nach eigenen Angaben eine Morddrohung, als er Hinweisen auf krumme Geschäfte nachging. „Die nehme ich ernst“, sagte er dem Nachrichtenmagazin.

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