Die Geschichte meiner Schilddrüse
Wir schrieben das Jahr 1992 – ein heißer Hochsommer.
Ich befand mich zu dieser Zeit in einer sehr schwierigen psychischen Phase. Vor kurzem hatte ich meinen ungeliebten Job als Chefsekretärin eines erfolgreichen, mittelständischen Unternehmens der Maschinenbaubranche verloren und war bereits 3 Monate arbeitslos.
Ich hatte mich sehr angestrengt, diese begehrte Stelle zu bekommen und hatte dafür eine gutbezahlte Stelle als Exportsachbearbeiterin in einer anderen Firma aufgegeben.
Was ich nicht wissen konnte: Der Chef und Eigentümer meines neuen Unternehmens war ein ausgesprochener Psychopath. Die Demütigungen, die er in seiner Kindheit seitens seines Vaters erfahren hatte, gab er zwischenzeitlich – Macht innehabend – ungebremst an seine Mitarbeiter weiter – und ich war die Mitarbeiterin, die am engsten mit ihm zusammenarbeiten musste. Er mobbte mich vom ersten Arbeitstag an und es wurde mit der Zeit immer schlimmer.
Anfangs hatte ich noch die Hoffnung auf Besserung dieser unangenehmen Situation, doch es wurde immer unerträglicher – neun Monate hielt ich durch.
Dann platzte mir der Kragen, ich machte endlich den Mund auf und wehrte mich – das war dann das Ende vom Lied.
Bereits wochenlang vor der Kündigung litt ich – besonders montags – unter Schweißausbrüchen, Zittern der Hände und Knie, Magenverstimmung, Erbrechen und Angstzuständen.
Diese Symptome ließen zwar zu Beginn meiner Arbeitslosigkeit nach – doch plötzlich stellte ich fest, dass mein Stoffwechsel sich tagtäglich beschleunigte und ich an Gewicht verlor, was ich zunächst positiv fand. – Zudem war ich hochnervös.
Im August 1992 befand ich mich für einige Erledigungen in S.. Es war schwül und drückend heiß an diesem Tag und auf dem Marktplatz wurde mir plötzlich schwarz vor Augen. – Als ich wieder zu mir kam, befand ich mich im Krankenwagen. Ich wurde in das nahegelegene Hospital gebracht, wo ich erst einmal ca. ½ Stunde warten musste, bis ich in die Ambulanz aufgenommen wurde.
Die Diagnose lautete auf Kreislaufkollaps aufgrund des Wetters. Man gab mir kreislaufstabilisierende Tropfen und einen starken, schwarzen Kaffee. – Weitere Untersuchungen erfolgten nicht. Ich wurde wieder nach Hause entlassen.
Da ich mich am nächsten Tag bereits besser fühlte, machte ich mich wiederum auf den Weg nach S. und das Spiel vom Vortag wiederholte sich. Ohnmacht, Hospital – Diagnose Kreislaufbeschwerden . Wiederum erhielt ich Kreislauftropfen, weitere Untersuchungen wurden auch an diesem Tag nicht gemacht. Ich solle meinen Hausarzt konsultieren, wurde mir geraten.
Ich fühlte mich am nächsten Tag wieder besser und suchte den Hausarzt nicht auf. Auffallend war, dass ich immer mehr an Gewicht verlor, ich ständig Hunger hatte und mein Stoffwechsel auf Hochtouren lief. Binnen einer Woche nahm ich 7 kg ab, obwohl ich mehr aß als sonst. Von meinem Hausarzt erhielt ich wiederum kreislaufstärkende Medikamente – es wurde jedoch kein Blutbild gemacht.
In der darauffolgenden Woche hatte mein Hausarzt Ferien und die Praxis war geschlossen.
Ich erzählte meiner Freundin, die zu Besuch bei mir war, von meinen massiven Beschwerden. Sie versprach mir, während der kommenden Tage öfter nach mir zu schauen. Bei einem ihrer Besuche wies sie mich darauf hin, dass mein Hals auffallend dick sei.
Ich recherchierte meine Beschwerden eigenständig in medizinischer Fachliteratur und kam zu der Erkenntnis, dass ich wohl unter einer Schilddrüsenüberfunktion leiden müsse. Gleich am nächsten Tag suchte ich einen Internisten auf und teilte ihm mit, dass ich meine Diagnose bereits selbst gestellt hätte.
Er schaute mich zwar etwas zweifelnd an – machte aber sofort ein großes Blutbild. Das Ergebnis: .. eine bereits fortgeschrittene, ausgeprägte Schilddrüsenüberfunktion.
Ich litt bereits unter massivem Herzrasen und erhielt unverzüglich Medikamente = Carbimazol.
Der Internist machte außerdem einen Ultraschall von meiner Schilddrüse und teilte mir mit, dass ich nun über mehrere Monate dieses Medikament einnehmen müsse, bis sich meine Werte und Beschwerden stabilisiert hätten. Dann müsse man die Schilddrüse entfernen. Nach der Operation müsse ich lebenslang jodhaltige Medikamente zu mir nehmen.
Ich nahm zunächst brav meine Medikamente in der vorgeschriebenen Dosis ein und ging regelmäßig zur Kontrolle. Mein gesundheitlicher Zustand verbesserte sich. Der Internist war soweit zufrieden und sagte mir, ich müsse das Carbimazol in gleichbleibender Dosis für einen Zeitraum von etwa sechs Monaten noch weiter einnehmen – dann könne man die Entfernung der Schilddrüse ins Auge fassen.
Ich war arbeitslos und hatte genügend Zeit zu überlegen, was wohl dieses gesundheitliche Dilemma bei mir ausgelöst hatte – und je mehr ich nachdachte, desto mehr kam ich zu der Erkenntnis, dass es mit dem vorausgegangenen Mobbing und dem Verlust meines Arbeitsplatzes zu tun hatte.
Da beschloss ich, die Dosis des Carbimazols auf eigene Faust zu reduzieren – langsam aber stetig. Ich ging nach wie vor regelmäßig zu meinen Check-ups und meine Werte hielten sich im Normbereich.
Ich reduzierte weiter und weiter bis auf Null. – Zum Zeitpunkt, als mein Internist mir mitteilte, nun könne die Operation aufgrund stabiler Blutwerte ins Auge gefasst werden, teilte ich ihm mit, dass ich mittlerweile seit mehr als drei Monaten kein Carbimazol mehr eingenommen hätte.
Er riss die Augen auf und schnaubte wie ein Nilpferd. Er schwankte zwischen wütend und ungläubig und wies mich darauf hin, dass die Überfunktion jederzeit auftauchen könnte…. Er war skeptisch. Ich ging weiterhin zur Kontrolle… über einen Zeitraum von mehreren Jahren bis heute. Die Schilddrüsenwerte blieben im Normbereich.
Eines Tages bat mich mein Internist, meine Unterlagen bei einer medizinischen Fachtagung präsentieren zu dürfen… denn auch sein Fazit war mittlerweile, dass meine hohe psychische Belastung die Schilddrüsenüberfunktion ausgelöst hätte.
Meine Lehre aus diesem für mich sehr einschneidenden Erlebnis : … spielt die Psyche verrückt, spielt auch der Körper verrückt. In sich selbst hineinhören und sich selber kennenlernen, ist ein wichtiger Punkt.
Heute bin ich froh, dass ich damals der Operation nicht gleich in blindem Glauben zugestimmt habe. – Mag sein, mein sechster Sinn hatte mir damals geraten, die Medikamente langsam zu reduzieren. Ich hatte Glück gehabt … und etwas draus gelernt.
Anmerkung von H. Pilhar
Ein beeindruckender Fallbericht! Man erkennt, wie das Individuum instinktiv und intuitiv seine Konflikte zu lösen versteht.
Leider fehlen ein paar wichtige Angaben: Waren beiden Schilddrüsenlappen aktiv? Hier spielt die Händigkeit keine Rolle.
Ist sie links- oder rechtshändig? Beim Kreislaufkollaps (epileptische Krise linkes Myokard) spielt die Händigkeit eine Rolle.