Medienprozeß Pilhar ./. KURIER wegen „Einschleusung eines Reporters“ – STELLUNGNAHME DER ANTRAGSTELLER


RECHTSANWÄLTE
Mag. Dr. Rudolf Gürtler
A-1010 Wien
Seilergasse 3

An das
Landesgericht für Strafsachen Wien
Landesgerichtstraße 11
1080 Wien

12.8.1996

9 cE Vr 3837/96
HV 2300/96

Antragsteller:

Ing. Helmut Pilhar, Computertechniker, Maiersdorf 221, 2724 Hohe Wand
Erika Pilhar, Hausfrau, Maiersdorf 221, 2724 Hohe Wand
beide vertreten durch:

RECHTSANWALT DR. RUDOLF GÜRTLER
A-1010 WIEN, SEILERGASSE 3
Vollmacht erteilt

Antragsgegnerin:

KURIER Zeitungsverlag und Druckerei GmbH
Lindengasse 48-52,1072 Wien

vertreten durch:

Dr. Stephan Ruggenthaler, Rechtsanwalt
1010 Wien, Kärntner Straße 12

wegen: §§111 StGB, 6 ff MedienG

STELLUNGNAHME DER ANTRAGSTELLER

Der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 25.7.1996 ist der Kanzlei des Antragsstellervertreters zugegangen. Zu den Ausführungen der Antragsgegnerin erstatten die Antragsteller folgende

STELLUNGNAHME:

Eine Auseinandersetzung mit dem Einwand der Verfristung dürfte entbehrlich sein, weil die zugrundeliegenden Tatsachenfragen im Großen und Ganzen außer Streit stehen. Ausdrücklich bestritten wird allerdings die Behauptung, wonach zum Zeitpunkt der Antragstellung eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht vorgelegen sei.

Ohne auf die in gesetzlichen Bestimmungen Deckung findenden noch sonst übermäßig durchdacht und überlegt erscheinenden und daher voraussichtlich unerheblichen Rechtsausführungen der Antragsgegnerin näher einzugehen, ist nochmals klarzustellen, daß der gefertigte Antragstellervertreter, RA Dr. Rudolf Gürtler, ordnungsgemäß bevollmächtigt und von den Antragstellern beauftragt war und ist, das gegenständliche Verfahren zu fuhren. Bereits vor Einbringung der verfahrensleitenden Anträge vom 2.4.1996 hat der Antragstellervertreter in dieser Angelegenheit insbesondere mit der Rechtsschutzversicherung der Antragsteller korrespondiert wie in solchen Fällen üblich, diese Schriftstücke wurden durch den Antragstellervertreter Dr. Rudolf Gürtler auch selbst unterschrieben.

Zum Zeitpunkt der Überreichung der gegenständlichen Anträge befand sich ASTV Dr. Rudolf Gürtler auf Urlaub. Es bestand jedoch die Ermächtigung zur Unterfertigung und Abfertigung der Schriftstücke durch die in der Kanzlei des ASTV Dr. Rudolf Gürtler beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter nach Vorliegen der Deckungszusage der Rechtsschutzversicherung. In diesem Sinne wurde in weiterer Folge auch tatsächlich vorgegangen.

Beweis: Mag. Erich Rebasso, Rechtsanwaltsanwärter, p.A. des ASTV zeugenschaftliche Einvernahme des ASTV Dr. Rudolf Gürtler weitere Beweise bei Bedarf

Jedenfalls unrichtig ist die Auffassung der Antragsgegnerin, wonach eine schriftliche Eingabe eines Rechtsanwalts in Vertretung seines Klienten, welche auf Kanzleipapier abgefaßt, mit der Kanzleistampiglie versehen ist und den Hinweis auf die erteilte Bevollmächtigung enthält, diesem nur dann zugerechnet werden könne, wenn sich auch die eigenhändige Unterschrift des Rechtsanwaltes darauf befindet. Bezeichnenderweise ist die Antragsgegnerin auch nicht in der Lage oder findet es nicht der Mühe wert, ihre Auffassung, mit der immerhin gegenüber einer Rechtsanwaltskanzlei der nicht unerhebliche Vorwurf vollmachtslosen Einschreitens erhoben wird, fachlich qualifiziert zu begründen und wenigstens einigermaßen auf dem Boden gesicherter juristischer Grundlagen darzulegen.

Insoweit die Antragsgegnerin den Wahrheitsbeweis anbietet und hiezu in dem nun vorliegenden Schriftsatz vom 25.7.1996 erstmals ein Vorbringen erstattet, müssen die Antragsteller feststellen, daß dieses Vorbringen den von der Antragsgegnerin zu erbringenden Beweis nicht zu tragen vermag.

Ermutigt durch eine an den Erstantragsteller im Zuge dessen Zeugenvernehmung gerichtete Äußerung des Hauptverhandlungsrichters in der Hauptverhandlungstagsatzung vom 21.6.1996, wonach er (der Hauptverhandlungsrichter) der Meinung sei, der Erstantragsteller hätte sich doch bei Prof. Urbanek selbst hinsichtlich der an den Fotografen erteilten Erlaubnis zur Herstellung von Fotos rückversichern können, scheint die Antragsgegnerin nun offensichtlich damit zu spekulieren, daß sich im Wege einer möglichst umfassenden Erörterung des Verhaltens der Antragsteller im Zusammenhang mit der Anfertigung der Fotos für die Reportage in der Zeitschrift „Bild am Sonntag“ im Zuge des Beweisverfahrens Anhaltspunkte finden, die zum Vorwurf eines sorgfaltswidrigen Verhaltens der Antragsteller ausgebaut den Wahrheitsbeweis tragen könnten.

Die Antragsgegnerin ist daran zu erinnern, daß sie die Richtigkeit des von ihr veröffentlichten Vorwurfs, wonach die Antragsteller die fahrlässige Umgehung der Eingangskontrolle vor dem Krankenzimmer von Olivia Pilhar tatkräftig unterstützt hätten, zu beweisen hat. Dabei wird die Antragsgegnerin wohl an der Tatsache nicht vorbeikommen, daß das Krankenzimmer rund um die Uhr unter Bewachung durch eigens dafür abgestellte Sicherheitswachebeamte gestanden ist.

Wenn die Antragsgegnerin weiters behauptet, es sei selbstverständlich, daß die deutschen Reporter ohne tatkräftige Mitwirkung der Antragsteller nicht zu Olivia hätten gelangen können, so ist dies völlig falsch und vermittelt ein bezeichnendes Zeugnis über die Qualität der Recherchen der Antragsgegnerin, da nämlich laufend Personen ohne Mitwirkung, oft sogar ohne Wissen der Antragsteller in das Kjankenzimmer von Olivia gelangt sind. Es handelte sich dabei um Amtspersonen, Personen des öffentlichen Lebens, aber auch Medienvertreter. Ohne die durch die Chemotherapie bedingte höhere Infektionsgefahr auch nur im mindesten herunterspielen zu wollen, bestand doch primär die Notwendigkeit, angesichts der ohnehin bereits bestehenden höheren Besuchsfrequenz Maßnahmen zu treffen, um die Besuche für das Krankenhaus kontrollierbar und überschaubar zu gestalten. Die im damaligen Zeitraum bestehende Vertrauenskrise zwischen den Antragstellern und dem Krankenhaus spielte dabei mit Sicherheit ebenfalls eine entscheidende Rolle. Keinesfalls war es jedoch so, daß ein einzelner zusätzlicher Besucher eine gravierende qualitative Erhöhung des Infektionsrisikos mit sich gebracht hätte, sondern lediglich eine graduelle Erhöhung dieses Risikos, die jedoch von Seiten des Krankenhauses, wie bereits aufgezeigt, in vielen anderen Fällen durchaus auch in Kauf genommen wurde. So bot die für die Behandlung zuständige Onkologin Dr. Irene Slavc dem Mitarbeiter des ASTV, Mag. Erich Rebasso, aus Anlaß einer offiziellen Besprechung im AKH seinerzeit ungefragt und ohne besonderen Anlaß die Möglichkeit an, sie in das Krankenzimmer zu Olivia zu begleiten.

Beweis:

zeugenschaftliche Einvernahme beider Antragsteller
bereits beantragter Zeuge Fred Sellin
Zeuge Mag. Rudolf Masicek, Richter am BG Wiener Neustadt
Zeuge Mag. Herbert Marady, Bezirkshauptmann, Neuklosterplatz 1, 2700 Wiener Neustadt
Zeugin Dr. Christa Krammer, Bundesministerin, p.A. BM für Gesundheit und Konsumentenschutz
Dr. Irene Slavc, Fachärztin, p.A. Allgemeines Krankenhaus Wien Kinderabteilung
Auf das übrige Vorbringen der Antragsgegnerin zum Thema „Wahrheitsbeweis“ im Detail einzugehen, stellt für die Antragsteller eine unzumutbare Belastung dar, zumal man gezwungen wäre, sich mit Unterstellungen und untergriffigen, würdelosen Behauptungen zu befassen, die Erinnerungen an den verfahrensgegenständlichen sowie eine Reihe weiterer von der selben Verfasserin gestalteter Zeitungsartikel aufkommen lassen. Eine Abrundung erfährt diese Vorgangsweise schließlich dadurch, daß der Erstantragsteller betreffend seine Zeugenaussage in der Hauptverhandlung vom 21.6.1996 völlig falsch wiedergegeben wird, wenn beispielsweise vorgebracht wird, er habe selbst ausgesagt, den Fotografen in Kenntnis der Infektionsgefahr zu Olivia gebracht zu haben. Wenn die Antragsgegnerin dann dadurch auch noch den Wahrheitsbeweis als bereits erbracht ansieht, so zeugt dies von einem Verständnis des Begriffes „Wahrheit“, den raschest abzulegen der Antragsgegnerin dringend anzuraten ist, sollte sie sich die Führung ähnlicher Gerichtsverfahren in Hinkunft ersparen wollen.

Zum Thema der Einhaltung der journalistischen Sorgfalt ist aufzuzeigen, daß es die Verfasserin des verfahrensgegenständlichen Artikels im Zuge ihrer „Recherchen“ nicht für erforderlich erachtet hat, eine Stellungnahme der beiden Antragsteller oder doch zumindest jenes Reporters einzuholen, der die in Frage stehenden Fotoaufnahmen vorgenommen hat.

Beweis: wie bisher

Der Grundsatz „audiatur et altera pars“ stellt eines der fundamentalen Prinzipien einer sorgfältigen journalistischen Recherche dar, bei dessen Nichteinhaltung die Berufung auf den von der Antragsgegnerin angezogen Entlastungstatbestand nur mit der bereits bisher zu vermutenden mangelnden Kenntnis der Antragsgegnerin bzw. der Artikelverfasserin über ihre beruflichen Sorgfaltspflichten zu erklären ist.

Wenn das Vorgehen der Antragsgegnerin damit gerechtfertigt wird, daß die Antragsteller mit Personen des Mediums „KURIER“ jeden Kontakt abgelehnt hätten, so thematisiert die Antragsgegnerin damit einen Bereich, dessen nähere Erörterung, auf die es die Antragsteller ursprünglich eigentlich nicht angelegt hatten, der Antragsgegnerin mit Sicherheit nicht zum Ruhme gereichen würde. Da jedoch zunächst noch davon ausgegangen wird, daß das Gericht an einer derartigen Erörterung kein Interesse haben wird, sei hiezu lediglich soviel ausgeführt, daß unobjektive Berichterstattung zum Fall Olivia Pilhar im Medium „KURIER“ bereits Tradition hat. Die Antragsteller an der Öffentlichkeit zu verunglimpfen und unmöglich zu machen, scheint offensichtlich der Blattlinie zu entsprechen. Zum Nachweis können Zeitungsartikel in beträchtlicher Anzahl vorgelegt werden.

Die Antragsteller haben dies tatsächlich bereits einige Zeit vor dem Verfassen und Erscheinen des inkriminierten Artikels zum Anlaß genommen, dem „KURIER“ nicht mehr als Informanten oder für Interviews zur Verfügung zu stehen.

Wenn die Antragsgegnerin daraus jedoch ableitet, daß auf den Grundsatz des beiderseitigen Gehörs bedenkenlos verzichtet werden kann, wenn es darum geht, notwendige Stellungnahmen zu Vorwürfen einzuholen, die von dritter Seite geäußert werden oder sich im Zuge von Recherchen ergeben, und sich damit letztlich selbst einen Freibrief ausstellt, derartige Informationen bedenkenlos zu verwerten, so zeigt sich daran erneut die bereits mehrfach angesprochene eher bedenkliche Berufsethik der Antragsgegnerin.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß gewisse Aspekte des „Falles Olivia“ soweit dies Fragen der Krebsheilbehandlung insbesondere im Zusammenhang mit den Kontroversen zwischen Schulmedizin und anderen Schulen betrifft, von allgemeinem öffentlichen Interesse sein können, keinesfalls aber all jene delikaten Details, die ausschließlich die Neugierde einer gewissen Leserschichte der Chronikteile und deren Sensationslust befriedigen sollen.

Aus den genannten Gründen wird den Anträgen der Antragsteller Folge zu geben sein.

Ing. Helmut Pilhar
Erika Pilhar

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