Medienprozeß Pilhar ./. KURIER wegen „Einschleusung eines Reporters“ – GEGENBEWEIS-ANTRÄGE


GIGER, RUGGENTHALER & SIMON
Rechtsanwälte KEG

An das
Landesgericht für Strafsachen Wien
Landesgerichtsstraße 11
1082 Wien

Wien, am 25.07.1996

9cE Vr 3837/96
Hv 2300/96

Antragsteller:

Ing. Helmut Pilhar, ohne Beschäftigung
Erika Pilhar, Hausfrau
beide: 2724 Hohe Wand, Maiersdorf 221

beide vertreten durch:

Dr.Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt,
1010 Wien, Seilergasse 3

Antragsgegnerin:

Kurier Zeitungsverlag und Druckerei Gesellschaft m.b.H.
1072 Wien, Lindengasse 48-52

vertreten durch:

GIGER, RUGGENTHALER & SIMON
Rechtsanwälte KEG
1010 Wien, Kärntnerscraße 12
Vollmacht erteilt

wegen: §§ 111 StGB, 6 ff MedienG

BEWEISANTRÄGE

A.

Der vorliegende Antrag gemäß § 6 MedienG ist schon aus formalen Gründen aufgrund der eingetretenen Verfristung abzuweisen.

Innerhalb der 6-monatigen Frist ab Erscheinen der Ausgabe der Tageszeitung „Kurier“ vom 03.10.1995 ist bei Gericht kein Antrag der Antragsteller selbst oder des ausgewiesenen Vertreters Dr.Rudolf Gürtler eingelangt.

Zum Zeitpunkt der Einbringung der Anträge nach dem MedienG war der „ausgewiesene“ Vertreter RA Dr. Rudolf Gürtler von Antragstellern nicht bevollmächtigt. Er konnte es auch nicht sein, weil er von diesen Anträgen gar nichts wußte.

Da somit die Anträge weder von den Antragstellern, noch von deren Vertreter eingebracht wurden, sind diese unbeachtlich.

§ 50 StPO regelt, daß die Antragsteller ihre Sache selber führen, oder sich eines Anwaltes oder Vertreters bedienen können.

Der hier einschreitende Vertreter war zum Zeitpunkt der Einbringung der Anträge nicht bevollmächtigt. Die Anträge stammen auch nicht von den Antragstellern selbst oder RA Dr. Gürtler. Selbst wenn RA Dr. Gürtler von den Antragstellern zum Zeitpunkt der Einbringung der Eingabe bevollmächtigt gewesen wäre, ist durch den das Verfahren einleitenden Schriftsatz die Frist nicht gewahrt. Dieser Schriftsatz ist weder von den Antragstellern selbst, noch von RA Dr. Rudolf Gürtler unterfertigt. Die Unterschrift stammt vielmehr von dem Rechtsanwaltsanwärter Dris. Gürtler. Diese Unterschrift und damit die eingebrachte Eingabe kann damit aber weder den Antragstellern, noch für die Antragsteller Dr. Gürtler rechtswirksam zugeschrieben werden. Rechtsanwaltsanwärter sind nicht zur Vertretung des Rechtsanwaltes bei der Verfassung und Einbringung von Eingaben berechtigt. Die Substitutionsberechtigung erstreckt sich vielmehr nur auf die direkte Vertretung vor Gerichten und Behörden, somit auf die Vertretung bei Vorsprachen und Verhandlungen.

Beweis: zeugenschaftliche Einvernahme des Dr. Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Seilergasse 3

Es wird daher nochmals Verfristung eingewendet und beantragt, die Anträge kostenpflichtig abzuweisen.

B.

In der Hauptverhandlung vom 21.06.1996 wurde der Antragsgegnerin die Möglichkeit eingeräumt, mittels eines Schriftsatzes zum angebotenen Wahrheitsbeweis bzw. Beweis der Einhaltung der journalistischen Sorgfalt auszuführen. Innerhalb der (erstreckten) offenen Frist erstattet die Antragsgegnerin nachstehende

BEWEISANTRÄGE:

I.

Wahrheitsbeweis:

Die Antragsteller inkriminieren nachstehende Textpassage:

„Diese Kontrolle (Kontrolle wegen der bestehenden Infektionsgefahr) wurde am Samstag in fahrlässiger Weise umgangen. Mit tatkräftiger Unterstützung der Eltern: Erika und Helmut Pilhar haben – aus welchen Motiven auch immer – den Photographen zu ihrer Tochter gebracht.“

Vor dieser Textpassage wird im Artikel ausgeführt, daß Professor Urbanek, der Arzt Olivias, alle Phototermine untersagt habe, um Olivia einerseits die unnötigen Aufregungen zu ersparen und andererseits wegen der extrem hohen Infektionsgefahr der kleinen Patientin. Dazu führt Professor Urbanek auch noch an, daß alle Personen, die Olivia besuchen, einer genauen gesundheitlichen Kontrolle unterzogen werden, da nicht riskiert werden könne, daß Olivia bei einer Visite infiziert wird.

Die Behauptung des Antragstellers, wonach Professor Urbanek den Redakteuren des deutschen Verlags die Genehmigung für Photoaufnahmen erteilt habe, ist unrichtig.

Jedenfalls hat die Redakteurin der Antragsgegnerin Professor Urbanek zu diesem Thema befragt und dieser hat bestätigt, daß alle Phototermine untersagt waren.

Tatsächlich kommt der (fehlenden) Besuchserlaubnis aber keine große Bedeutung für die Beurteilung des anstehenden Sachverhaltes zu.

Der Antragsteller hat bei seiner Aussage dargestellt, daß er genau wisse, daß nur bestimmte Personen Zutritt zu Olivia haben durften bzw. daß der Grund dieser Beschränkung eine mögliche Infektion von Olivia ist. Ihm war sogar bekannt, daß die Chemotherapie zur Folge hat, daß man auf jede Infektion anspricht.

Evident und für jedermann einleuchtend ist, daß jeder zusätzliche Besucher eine Erhöhung der Infektionsgefahr der damals chemotherapierten Olivia bedeutete.

Ebenso selbstverständlich ist, daß die deutschen Reporter ohne tatkräftige Mitwirkung der Antragsteller nicht zu Olivia hätten gelangen können.

Der Antragsteller versucht bei seiner Ausage, dem Gericht glauben zu machen, daß er selbst lediglich die Zustimmung erteilt habe und alles weitere den Reportern überlassen wurde.

Tatsächlich bedurfte es aber der tatkräftigen Mitwirkung des Antragstellers, damit die Reportage durchgeführt werden konnte. Einerseits haben die Antragsteller der Reportage vertraglich zugestimmt und sich zu tätigem Mitwirken vertraglich verpflichtet, andererseits war es der Antragsteller, der die Reporter zum Zimmer Olivias geführt hat.

Ohne Zustimmung und Mitwirkung der Antragsteller wäre es sicherlich zu keiner Reportage im „Bild am Sonntag“ gekommen. Die Mitwirkung der Antragsteller ließ sich die deutsche Medieninhaberin immerhin über S 50.000,— kosten. Wäre die Mitwirkung der Antragsteller nicht erforderlich gewesen, dann hätte der Axel-Springer-Verlag einen derart hohen Betrag sicherlich nicht bezahlt.

Evident ist auf der anderen Seite, daß die Reporter vor deren Reportage in Olivias Zimmer nicht gesundheitlich abgecheckt wurden und daher ein deutlich erhöhtes Risiko bestanden hat, daß sich Olivia infiziert.

Aus der Aussage des Antragsstellers ist klar zu entnehmen, daß es ihm eigentlich nur um das Interview und das Entgelt für dieses Interview gegangen ist und er sich um die Gesundheit seiner Tochter nicht im Mindesten gekümmert hat. Der Antragsteller hat – wie er selbst aussagt – keinerlei Anstalten getroffen, selbst zu überprüfen, ob die Reporter allenfalls infektiös sein könnten. Er hat sich trotz präziser Kenntnis des deutlich erhöhten Infektionsrisikos auch nicht darum gekümmert, daß nur zu Personen zu seiner Tochter Zugang haben, die gesundheitlich überprüft sind.

Auch wenn man die Persönlichkeitsstruktur des Antragstellers und dessen Verhältnis zur Schulmedizin wohlwollend berücksichtigt, ist es trotzdem vollkommen unbegreiflich, wie leichtfertig die Antragsteller agierten und ihre Tochter einer unter Umständen sogar tödlichen Infektionsgefahr aussetzen ließen, um Geld kassieren zu können.

Daß die Antragsteller die Reportage unterstützt haben, steht fest. Daß der Antragsteller den Photographen und den Reporter in Kenntnis der Infektionsgefahr zu Olivia gebracht hat, sagt er selbst aus. Damit hat der Antragsteller den wesentlichen Vorwurf, seine Tochter zumindest fahrlässig einer Infektionsgefahr ausgesetzt zu haben, zugestanden und ist der Wahrheitsbeweis erbracht.

Beweis:

zeugenschaftliche Einvernahme von Herrn Professor Dr. Radvan Urbanek, per Adresse AKH Wien;
zeugenschaftliche Einvernahme von Frau Susanne Gsandtner, per Adresse Informationszentum AKH, 1090 Wien, Währinger Gürtel 18-20;
zeugenschaftliche Einvernahme von Frau Martina Prewein, per Adresse der Antragsgegnerin;
vorgelegtes Schreiben des Magistrates der Stadt Wien vom 07.11.1995.
II.

Beweis der Einhaltung der gebotenen journalistischen Sorgfalt:

Die Redakteurin, die den inkriminierten Artikel verfaßt hat, hat sich bei ihrer Recherche mit dem zuständigen Arzt des AKH, Herrn Professor Radvan Urbanek, in Verbindung gesetzt, und von diesem erfahren, daß alle Phototermine untersagt waren.

Die Begründung des Photoverbotes hat die Redakteurin ebenfalls in Erfahrung gebracht und in den Arktikel verarbeitet.

Eine Kontaktaufnahme mit dem Antragstellern zu diesem Thema war nicht erforderlich, weil die Antragsteller schon zum damaligen Zeitpunkt für jedes Interview bzw. für jede Information Geld verlangt haben und im übrigen mit Personen des Mediums „KURIER“ jeden Kontakt ablehnten.

Da Professor Urbanek keinerlei Interesse daran haben konnte, unrichtige Angaben gegenüber der Redakteurin zu machen, war es auch nicht erforderlich, hier weitere Überprüfungen darüber anzustellen, ob tatsächlich ein Photographierverbot erlassen wurde.

Wie aus der vom Antragsteller vorgelegten Verordnung („Hiermit wird nochmals festgelegt, daß …“) (Beilage ./B) vom 24.10.1995 hervorgeht, waren schon zum Zeitpunkt der Reportage von „Bild am Sonntag“ Besuche von Journalisten und Photographen zum Zweck der Veröffentlichung und Verbreitung in Medien verboten.

Allein die Tatsache, daß auf der Krankenzimmertür Olivias ein Zettel angebracht war (AS 30), dem zu entnehmen war, wer Olivia besuchen dürfe, ergibt sich unzweifelhaft, daß schon zum Zeitpunkt der von der Antragsgegnerin kritisierten Reportage ein Besuchsverbot bestanden hat.

Die Artikelverfasserin hat sohin alle erforderlichen Recherchen durchgeführt und ist der gebotenen journalistischen Sorgfaltsverpflichtung nachgekommen. Sie konnte von der Wahrheit der aufgestellten Behauptungen ausgehen. Daß der Fall „Olivia“ für die Öffentlicheit von größtem Interesse war und ist, ist gerichtsbekannt.

Beweis: wie bisher

III.

Die Antragsgegnerin stellt somit den Antrag, die angebotenen Beweise abzuführen, die Anträge der Antragsteller nach dem MedienG abzuweisen und die Antragsteller zum Ersatz der Kosten zu verpflichten.

KURIER Zeitungsverlag und Druckerei Gesellschaft m.b.H.

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