Reichtum

Minister Milliardär

Einen genialen, aber mittellosen Ungarn getroffen und finanziert zu haben erwies sich für Martin Bartenstein als das Ereignis, das ihn in die Oberliga österreichischer Kapitalisten katapultiert.

Von LISELOTTE PALME

Mauritius ist nichts für Martin Bartenstein. Gib dir mal so richtig tropische Ferien, hatte ihn sein Ex-Geschäftspartner Imre Somody immer wieder ermuntert. Vergeblich natürlich. „Der Dr. Bartenstein„, wundert sich Somody vergangene Woche übers Telefon aus den tropischen Gärten von Mauritius, „hat ja nie Zeit, wegen der Politik und so. Und selbst wenn er sich die Zeit nähme, würde er, glaub’ ich, sein Geld nicht für fünfsternige Fernreisen ausgeben.“ Er sei einfach nicht der Typ. Bartensteins privater BMW zeige einen Kilometerstand von 300.000, aber: „Der tut’s noch eine Weile“, habe der Minister dem verblüfften Somody erklärt. Kokettes Understatement? Calvinistischer Purismus des protestantisch Getauften? Das grundlegende Desinteresse eines – wenngleich sehr weitschichtigen und nicht adeligen – Verwandten des freiherrlichen Maria-Theresia-Beraters Bartenstein an neureichen Erfolgssymbolen?

Martin Bartenstein, der Ungar Imre Somody und Wolfgang Leitner, Bartensteins langjähriger Freund und Kompagnon im steirischen Pharmaunternehmen, sind gemeinsam und schlagartig am 31. Jänner dieses Jahres reich geworden.

Nicht einfach ziemlich vermögend, das war Bartenstein immer schon, sondern wirklich reich. Zwischen Weihnachten 1995 und Ostern 1996, zwischen ziemlich vermögend und wirklich reich also, liegt eine Cash-Differenz von etwa 325 Millionen Schilling. Und zwar pro Person, was Bartenstein & Leitner angeht. Seither wird der frischgebackene Doppelminister, der so nett, verbindlich und harmlos wirkt, von Kennern seiner materiellen Verhältnisse als jemand eingestuft, der „bald den Sprung zum Milliardär machen wird“.

Und das aus eigener Kraft, nicht dank der seiner Vorfahren: 1980, mit einem Erbe gestartet, das „bloß“ aus einem Landschloß und einem gewerbeartigen, nicht allzuviel Profit abwerfenden Kleinbetrieb sowie einem Paket von BrauAG-Aktien bestand, spielen Bartenstein und Freund Leitner heute in der Liga der potentiellen Großinvestoren dieses Landes mit. Bartenstein darf als das zweifellos betuchteste Mitglied der österreichischen Bundesregierung apostrophiert werden.

Die Herkunftsgeschichte besagter 325 Millionen nimmt sich auf den ersten Blick wie ein Goldgräbermärchen aus dem postkommunistischen Wilden Osten aus. Der Cash-Zuwachs des Ministers stammt nämlich aus dem Verkauf von Gesellschaftsanteilen an einer von Imre Somody kurz vor dem Fall des Eisernen Vorhangs gegründeten Budapester Firma. Der Laden heißt „Pharmavit“, wurde Anfang der neunziger Jahre, als die Firma noch embryonal winzig und daher spottbillig war, von einer Bartenstein-Leitner-eigenen GesmbH mehrheitlich erworben – und entpuppte sich, vor allem dank des unternehmerischen Genies des Imre Somody, als Investorentraum schlechthin: Für das damalige Baby, mittlerweile zum vielbeachteten Branchenwunderkind Ostmitteleuropas herangewachsen, legte der internationale Pharmakonzern Bristol-Myers Squibb, in diesem Winter beim Erwerb sämtlicher Anteile 110 Millionen Dollar, also umgerechnet 1,15 Milliarden Schilling, als Kaufpreis auf den Tisch.

Der Kaufbetrag floß also nicht Bartenstein ad personam zu, sondern wurde der österreichischen Genericon Pharma GesmbH überwiesen, an der Bartensteins persönliche Vermögensverwaltungs GesmbH zu 50 Prozent und Partner Wolfgang Leitner ebenfalls zu 50 Prozent beteiligt sind. Genericon hielt an Pharmavit 56,2 Prozent der Gesellschafteranteile, dementsprechend wurden von Bristol Myers an Genericon rund 650 Millionen Schilling ausbezahlt.

Bartenstein: „The chance of a lifetime.“

Daß ein öffentlicher Blick in diesen Deal überhaupt möglich wurde (was der Minister anfangs als ziemlich lästig empfunden haben soll), ist auch nur auf, eine kurze Pressenotiz von Bristol-Myers’ Münchner Europazentrale zurückzuführen. Eine Notiz, die von den heimischen Medien zunächst gar nicht registriert wurde, obwohl es sich bei Pharmavit um eine seit 1994 an der Börse notierte Gesellschaft handelt. Das Wirtschaftsmagazin „trend“ brachte die Meldung in seiner Februar-Ausgabe, ansonsten aber blieb die Sache in Osterreich weithin unbeachtet. Sehr zum Gefallen Bartensteins. Denn im Grunde hängt der Minister der Ansicht an, daß seine unternehmerisch-finanziellen Interna die Öffentlichkeit nicht das geringste angingen.

Und das nicht nur, weil er gemäß den Unvereinbarkeitsregeln für Politiker alle seine Firmenanteile ohnehin beim Eintritt in die Bundesregierung formell dem Präsidenten des Rechtsanwaltskammertags, Klaus Hoffmann, übertragen hat, sondern überhaupt: „Gewinne hat man, aber man redet nicht darüber“, erläutert Ehefrau Ilse die diesbezügliche Familienphilosophie.

Martin Bartenstein, Chemiker und Sohn eines Arzneimittelerzeugers, dürfte bis zu dem Moment, da ihm in der Person des Imre Somody eine Art junger Karl Wlaschek der Pharmabranche über den Weg lief, tatsächlich nach der grundsoliden und wenig spektakulären Methode „Stein auf Stein, klein, aber mein“ gearbeitet haben. Nach seiner Meinung „viel zu früh“ war er durch den Tod des Vaters gezwungen gewesen, den Betrieb zu übernehmen, ohne nach seinem Studium anderweitig Erfahrungen sammeln zu können. Trotz Unerfahrenheit und jener Art von Vorsicht in finanziellen Dingen, die tüchtigen Kindern aus Unternehmerhaushalten häufig eigen ist, bewies Bartenstein schon bald geschäftlichen Mut.

Er war bei einem Amerika-Aufenthalt auf einen neuen Trend am Pharmamarkt aufmerksam geworden: Anfang der achtziger Jahre reüssierten dort die ersten Unternehmen mit dem sogenannten „Generika“-Konzept. „Generika“ sind Arzneimittel, die nach Ablauf der Patentfrist eines Produkts, also meist fünfzehn Jahre nach der Erstzulassung, in derselben Wirkstoffkombination und chemischen Zusammensetzung wie das Originalprodukt auch von anderen Fachbetrieben als dem Originalhersteller erzeugt werden können.

Zunächst entwickeln die meist großen, forschungsintensiven Pharmaunternehmen ein Produkt, lassen es patentieren, geben ihm einen Markennamen und verkaufen es zu – jedenfalls in Europa – sehr ansehnlichen Preisen. Manche dieser Produkte sind nach fünfzehn Jahren wissenschaftlich überholt, andere erweisen sich als Klassiker und Dauerbrenner. Auf letztere stürzen sich nach Ablauf der Patentfrist die Generika-Erzeuger und bieten den Ärzten dasselbe Produkt, allerdings ohne eigenen Markennamen, bloß mit der Wirkstoffbezeichnung und dem eigenen Firmennamen versehen, zu weit günstigeren Preisen als die ursprüngliche Markenware an. Da die Generika-Erzeuger natürlich denselben strengen Qualitätsregeln wie die Markenerzeuger unterworfen sind, wurden sie als Preisdrücker binnen kurzer Zeit zu – von der Konkurrenz gefürchteten – Hechten im Karpfenteich der großen Pharmakonzerne. Die Kunst eines Generika-Erzeugers liegt einerseits im wirksamen Marketing, vor allem in der breiten Schicht der niedergelassenen Ärzte, andererseits im Erkennen, ob sich der Lebenszyklus eines Produkts bald seinem Ende zuneigt oder ob es ein Dauerbrenner zu werden verheißt.

Als der junge Bartenstein auf den neuen Trend aufmerksam wurde, als er gemeinsam mit Leitner in den Achtziger Jahren seine Genericon GesmbH und damit den ersten österreichischen Produktionsbetrieb für Generika gründete, war das entsprechende Konzept zwar nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland bereits im Vormarsch, in Österreich allerdings sahen die etablierten Pharmariesen den Eindringling zunächst wie den Gottseibeiuns an. Der damalige Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Herbert Krejci: „Wenn Bartenstein in einem Gremium der Pharmaindustrie auftauchte, gingen die Emotionen ziemlich hoch.“ Odo Dobnig, beim Arzneimittel-Großhändler Herba für den Einkauf zuständig: „Es muß bei Gott ein hartes Brot gewesen sein, da Marktanteile zu erobern.“ Bartenstein, erstaunlich kantig, stand das durch und gewann im generischen Markt an Boden, während er parallel dazu mit der Lannacher Heilmittel GesmbH das nicht generische Arzneimittelfeld (Schwerpunkte unter anderem: Schmerzmittel und Antibiotika) weiter beackerte. Heuer macht die Genericon laut Ilse Bartenstein, für Finanzen zuständige Prokuristin im Unternehmen, voraussichtlich 120 Millionen, die Lannacher 160 Millionen Schilling Umsatz, beide zusammen beschäftigen etwa 120 Mitarbeiter. Ilse Bartenstein wird von der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic als „besonders tüchtige Frau“ gerühmt, „die ihrem Mann wirklich sehr viel abnimmt – und das mit einer Gelassenheit und Selbstverständlichkeit, die Achtung abringt“.

Sehen die milder gewordenen, weil an Generika mittlerweile gewöhnten, aber immer noch kritischen Markenartikler der Branche auf die Genericon-Produktpalette immer noch ein wenig herab („Nichts Sensationelles, manche Präparate sind bei den angegebenen Indikationen sogar wenig zweckmäßig“), so stellen die Produktbeurteiler der „Berliner Arznei-Zeitung“ Bartensteins Präparaten ein durchaus gutes, Zeugnis aus. Wolfgang Becker-Brüser. „Bei den meisten Präparaten, die ich da sehe, kann ich nach heutigem Stand der Kunst durchaus sinnvolle Anwendungsgebiete erkennen.“ Der Arzneimittelhandel attestiert beiden Bartenstein-Firmen „absolute betriebswirtschaftliche Professionalität. Gute Logistik, alles funktioniert rasch und einwandfrei – keine Probleme.“

Tüchtig und solid. Wie sieht es mit öffentlichen Aufträgen für die Minister-Firmen aus? Frau Bartenstein hat die Zahlen mit einem Griff: „Da sind einmal pro Jahr die Vitamin-C-Kautabletten für das Bundesheer. Und dann gibt es noch – kein Pharmaunternehmen kann auf Universitätskliniken ganz verzichten – die Aufträge von drei Uni-Kliniken, die beliefen sich im Geschäftsjahr 1994/95 in Summe auf 1,6 Millionen Schilling.“ Gegenüber der Zeit, bevor ihr Mann in die Politik ging, habe öffentliche Geschäft weder zu- noch abgenommen. Unspektakulär.

Lannacher und Genericon auf der einen, Pharrnavit auf der anderen Seite – zwei unterschiedliche Firmenkonzepte, zwei grundlegend verschiedene Wachstumsstrategien (obwohl auch Pharmavit bisher 50 Prozent ihres vorjährigen 420-Millionen-Schilling-Umsatzes mit in Lannach erzeugten generischen Produkten machte). P. O. Wallstrom, General Manager von Bristol-Myers Squibb für Zentral- und Osteuropa: „Wir waren von dieser jungen, dynamischen Pharmavit mit ihrem exzellenten Management außerordentlich beeindruckt. Ein Großteil des Erfolgs ist auf Imre Somody zurückzuführen, aber der hatte offenkundig in Gestalt der Miteigentümer Bartenstein und Leitner kongeniale Partner.“

Ungleich den zahllosen mißglückten Ost-, besonders Ungarn-Abenteuern anderer österreichischer Firmen hatten Bartenstein & Leitner eine geradezu modellhafte Form der Zusammenarbeit und der Übertragung westlichen Know-hows auf östliche Verhältnisse gefunden. Bei Somody und seinem achtköpfigen Kernteam hatten sie es mit einerseits lernbegierigen, andererseits aber höchst selbstbewußten und topengagierten Leuten zu tun. Leuten, die Anregungen der österreichischen Mehrheitsgesellschafter zwar aufsaugten, die aber Systeme und Konzepte nicht telquel übernahmen, sondern alles in Windeseile auf die Eignung für ungarische, tschechische und slowakische Verhältnisse abcheckten und umbauten. Somody: „Das Controllingsystem, das Außendienstsystem – immer haben wir die österreichischen Modelle genau studiert und dann gesagt: Okay, das implementieren wir, das adaptieren wir so und so, und das ist nichts für uns.“ Bartenstein und Leitner hätten ihn und seine Leute niemals zu rigider Nachahmung westlicher Erfolgsrezepte gezwungen – „so wie andere Westfirmen den armen Ungarn alles einfach aufs Auge drücken“ (Somody) -, sondern hätten sie von Anfang an als vollwertige Partner und Unternehmer akzeptiert. Ilse Bartenstein: „Mein Mann, als er noch im Unternehmen tätig war, Wolfgang Leitner und Imre Somody haben einander großartig ergänzt: Mein Mann, der pharmakologische Fachmann, der die Produktideen einbrachte, Wolfgang Leitner, der Stratege und kühle Rechner, und Somody, der geniale Marketingmann.“ Somody: „Manchmal haben die beiden meinen Expansionsdrang schon gebremst – und das war gut so.“

Imre Somody hatte sich vor drei Jahren 20 Prozent der Pharmavit gekauft, indem er sich persönlich hoch verschuldete – unbegreiflich für Bartenstein. Jetzt war Somodys Fünftelanteil Bristol-Myers eine vierter Milliarde Schilling wert.

Bartenstein, der Casinos haßt, ist aus dem großen Budapester Investorenspiel exakt zum Zeitpunkt ausgestiegen, als er gewaltige Gewinne mitnehmen konnte. Das Geld, sagt er, will er in weitere Substanzverbesserung und Ausbau der Lannacher Firmengruppe stecken.

Anmerkung von H. Pilhar

… und Barteinstein ist Präsident der Österreichischen Kinderkrebshilfe!

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