REPUBLIK ÖSTERREICH
Oberlandesgericht Wien

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichtes Dr. Schittenhelm als Vorsitzenden sowie die Richter des Oberlandesgerichtes Dr. Habl und Dr. Trieb als weitere Senatsmitglieder in der Mediensache des Antragstellers Ing. Helmut Pilhar gegen die Antragsgegnerin Krone-Verlags GmbH & Co KG über die Berufung des Antragstellers wegen Nichtigkeit und Schuld gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 25. April 1996, GZ 9 cE Vr 1642/96-9, gemäß den §§ 470 Z 3, 489 Abs. 1 StPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Erstgericht den Antrag des Ing. Helmut Pilhar auf Zuerkennung einer Entschädigung nach dem § 6 Abs. 1 MedienG wegen der Veröffentlichung des in der Neuen Kronen Zeitung vom 24. September 1995 erschienenen Artikels mit der Behauptung, „Olivias Vater bedrohte Arzt vor der Operation“, der Antragsteller habe den Chirurgen Prof. Dr. Ernst Horcher bedroht und diesem gegenüber Telefonterror ausgeübt, wodurch gegenüber dem Antragsteller der Vorwurf der üblen Nachrede nach dem § 111 StGB erhoben wurde, sowie die auf diesen Vorwurf gestützten weiteren medienrechtlichen Anträgen abgewiesen.

Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes erschien am 24. September 1995 in der „Neuen Kronen Zeitung“ auf Seite 6 unter der Überschrift „Olivias Vater bedrohte Arzt vor der Operation“ ein auf dem Titelblatt angekündigter Artikel, der sich mit dem Umfeld um die Operation der an Krebs erkrankten Olivia beschäftigt. Wie allgemein bekannt war der Antragsteller mit seiner Gattin und Olivia, nachdem er beabsichtigte, seine krebskranke Tochter mit einer zweifelhaften Therapiemethode behandeln zu lassen und deswegen den Eltern das Sorgerecht in diesem Punkt entzogen worden war, nach Spanien geflüchtet. Über diese Flucht berichteten die Medien weit über die Landesgrenzen hinaus ausführlichst und die Familie Pilhar bediente sich dieses Medieninteresses, indem sie in Interviews und ähnlichem versuchte, ihren Standpunkt darzulegen.

Der gegenständliche Artikel zeige nun auch, daß Ing. Pilhar sich auch nach der letztlich freiwilligen Rückkehr gegen die dann begonnene schulmedizinische Behandlung seiner Tochter gewehrt habe. Es heißt: „Wie erst jetzt bekannt wurde, spürte er (Ing. Pilhar) noch in der Nacht vor Olivias lebensrettender Operation den Arzt, prof. Dr. Horcher zu Hause auf und bedrohte ihn! Prof. Horcher: „Ich bin extra zeitiger heimgefahren, um früh schlafen zu gehen. Schließlich war die Operation ja kein Kinderspiel!“ Doch da begann der Telefonterror Helmut Pilhars. Der Mediziner: „Ich habe wirklich lang versucht mit ihm vernünftig zu reden, aber es scheint sinnlos. Man muß sich das vorstellen. Da gibt es ein kleines Mädchen, das selbst einen ungeheuren Willen zum Gesundwerden hat und das auch sagt, und der eigenen Vater will ihr das verwehren!“

Bedeutungsinhalt dieser Textpassage unter Berücksichtigung des restlichen Artikelinhaltes, insbesondere der Überschrift sei: Ing. Pilhar habe Prof. Horcher an dessen Privatadresse in der Nacht vor der Operation zumindest einmal angerufen und ihn bedroht. Der Leser der Kronen Zeitung verstehe unter Telefonterror nicht notwendigerweise, daß mehrere Anrufe getätigt werden, sondern, daß es durchaus auch lediglich ein Anruf sein könne, in dem im aggressiven Ton gegen den Angerufenen verbal vorgegangen werde, ohne daß der Anruf durch das Bedürfnis, eine Information zu geben oder zu empfangen, veranlaßt werde. Unter Drohung verstehe der Leser der Neuen Kronen Zeitung im gegenständlichen Zusammenhang nicht nur das in Aussicht stellen des Vorgehens gegen die körperliche Schritten gegen eine Person und sonstige, im Rahmen der Rechtsordnung zulässigen, aber für den Angesprochenen unangenehmen Konsequenzen.

Tatsächlich sei Olivia am Montag, den 18. September 1995 operiert worden. Ing. Pilhar habe seit dem 13. September 1995 (Mittwoch) Kenntnis davon gehabt, daß seine Tochter innerhalb der nächsten 14 Tage operiert werden werde.

Am 17. September 1995 (Sonntag) um ca. 21.00 Uhr habe Ing. Pilhar von seiner Frau telefonisch erfahren, daß am 18. September morgens die Operation seiner Tochter Olivia vorgenommen werden solle. Ing. Pilhar habe daraufhin im Allgemeinen Krankenhaus angerufen und mit Dr. Pomberger gesprochen. Dieser habe im wesentlichen keine Information an ihn weitergeben. Daraufhin habe Ing. Pilhar aus dem Telefonbuch die Privatnummer von Prof. Dr. Ernst Horcher, von dem er wußte, daß dieser die Operation durchführen werde, gesucht. Um ca. 22.30 Uhr habe Ing. Pilhar Prof. Horcher an dessen Privatadresse angerufen. Prof. Horcher habe sich angesichts der schwierigen und anstrengenden Operation am nächsten Tag bereits niedergelegt und habe geschlafen, als Ing. Pilhar anrief. Ing. Pilhar habe das Telefonat in äußerst aggressiver Form begonnen und Prof. Horcher vorgehalten, daß er erst vor einer Stunde über den Operationstermin informiert worden sei. Er habe Prof. Horcher damit konfrontiert, daß seiner Ansicht nach die Operation sehr gefährlich sei und mit dem Tod des Kindes enden werde. Prof. Horcher habe versucht, beruhigend auf Ing. Pilhar einzureden und ihm in Aussicht gestellt, daß, wenn das Gespräch nicht auf einer sachlichen Basis geführt werde, er dieses beenden würde. Ing. Pilhar habe immer wieder versucht, Prof. Horcher zu überzeugen, daß die Operation nicht durchgeführt werden sollte, wobei er auch die unrichtige Behauptung aufgestellt habe, daß seine Einwilligung zur Operation erforderlich sei. Zuletzt habe Ing. Pilhar Prof. Horcher mitgeteilt, daß er ihn anzeigen werde.

Das Telefonat sei nicht aus Sorge eines Vaters motiviert gewesen, sondern es habe den Zweck gehabt, Prof. Horcher einzuschüchtern und zu verunsichern.

Die gesamten Umstände des gegenständlichen Telefonates ließen dieses durchaus als Telefonterror qualifizieren.

Zum tatsächlichen Ablauf und Inhalt des Telefonats folgte das Erstgericht den glaubwürdigen und unbedenklichen Aussagen des Univ. Prof. Dr. Ernst Horcher und versagte den Aussagen der Zeugen Ing. Pilhar und Mag. Rebasso die Glaubwürdigkeit.

Ausgehend von diesen Feststellungen erachtete das Erstgericht die gegenständliche Veröffentlichung als wahr und nahm damit den Ausschlußgrund des § 6 Abs. 2 Z2 lit a MedienG an.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitige Berufung des Antragstellers wegen Nichtigkeit und Schuld, wobei ausschließlich der Schuldberufung Berechtigung zukommt.

Der Nichtigkeitsberufung ist zunächst vorauszustellen, daß die Vorgangsweise des Erstgerichtes, den Antragstellervertreter Mag. Rebasso wegen dessen Einvernahme als Zeuge von der weiteren Vertretung des Antragstellers im Verfahren gemäß dem § 75 StPO auszuschließen verfehlt und nicht nachvollziehbar ist. Denn der einzige Ausschließungsgrund eines Parteienvertreters ist – wie die Berufung zutreffend ausführt – im § 40 Abs. 1 StPO normiert.

Die auf diese ungerechtfertigte Ausschließung des Mag. Rebasso von der weiteren Vertretung gestützte Verfahrensrüge gemäß dem § 281 Abs. 1 Z 4 StPO ist jedoch nicht zielführend, weil dem Antragsteller im Medienverfahren die Parteienrolle eines Anklägers zukommt und dieser zur Geltendmachung des angezogenen Nichtigkeitsgrundes entsprechende Anträge in der Hauptverhandlung zu stellen und bei deren Nichterledigung oder Abweisung sich dagegen zu widersetzen gehabt hätte (§ 281 Abs. 3 StPO).

Im Recht ist jedoch die Schuldberufung, soweit sie die Einvernahme der in der Nichtigkeitsberufung beantragten Zeugen zum Inhalt des Telefongespräches seitens des Antragstellers, der den Urteilsfeststellungen widerstreitet, begehrt. Nach dem Vorbringen in der Nichtigkeitsberufung, das in der Schuldberufung wiederholt wird, waren bei dem vom Antragsteller geführten Telefonat mit Prof. Horcher, das Anlaß für den gegenständlichen Artikel war, die Eltern des Antragstellervertreters sowie ein Bruno U. gegenwärtig, die zum Inhalt des Telefonats auf Seiten des Antragstellers Depositionen machen könnten.

Da der Kernpunkt für die Frage des Wahrheitsbeweises der Inhalt des seitens des Antragstellers geführten Telefonats und seine gegenüber Prof. Horcher stattgehabte Wortwahl ist, die nach der Darstellung des Rechtsmittelwerbers keinen Telefonterror darstellen könnte, und diese Personen dem Berufungsvorbringen zufolge dazu Angaben machen könnten, ist zur Überprüfung des Vorliegens des Ausschließungsgrundes § 6 Abs. 2 Z 2 lit a MedienG auch die Einvernahme dieser Zeugen erforderlich, um eine vollständige Entscheidungsgrundlage schaffen zu können.

Daher war in Stattgebung der Berufung das Ersturteil gemäß den §§ 470 Z 3, 489 Abs 1 StPO in nichtöffentlicher Sitzung wie im Spruch ersichtlich aufzuheben und die Wiederholung der Verhandlung erster Instanz anzuordnen.

Oberlandesgericht Wien
1016 Wien, Schmerlingplatz 11
Abt. 18, am 29. August 1996

Dr. Werner Schlittenhelm

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