Parlamentarische Anfragebeantwortung betreffend der Neuen Medizin
BUNDESMINISTER für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz
DR. MICHAEL AUSSERWINKLER
A-1031 Wien, Radetzkystraße 2
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Teletex: 322 15 64 BMGSK
DVR: 0649856
1992-05-11
GZ 114.140/29-I/D/14/a/92
Herrn
Präsidenten des Nationalrates
Dr. Heinz FISCHER
Parlament
1017 Wien
Die Abgeordneten zum Nationalrat Madeleine Petrovic und FreundInnen haben am 11. März 1992 unter der Nr. 2598/J an mich beiliegende schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend Stand der Krebs-Forschung in Österreich; Überprüfung der Thesen von Dr. Ryke Geerd Hamer gerichtet.
Diese Anfrage beantworte ich wie folgt:
Zu Frage 1:
Mein Ressort hat sich bereits mehrfach mit den Theorien von Dr. Hamer auseinandergesetzt.
Anerkannte österreichische medizinische Fachgesellschaften stellten übereinstimmend fest, daß nach den derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen die Ansicht von Dr. Hamer, wonach maligne Erkrankungen nahezu ausschließlich durch Lösung seelischer Konflikte geheilt werden können, nicht haltbar ist und derzeit daher von einer Anwendung dieser Theorie abzusehen sei.
Psychische Betreuung stellt zwar in der modernen Krebsbehandlung eine wichtige additive Behandlungsmethode dar, es war jedoch bisher nicht möglich, ausschließlich dadurch bei manifesten und nachgewiesenen malignen neoplastischen Erkrankungen eine Heilung herbeizuführen.
Es besteht daher die Gefahr, daß bei Theorien wie die von Dr. Hamer krebskranke Personen durch Erweckung falscher Hoffnungen und Versäumen einer erfolgversprechenden Therapie insbesondere im Frühstadium einer Krebserkrankung zu Schaden kommen.
Zu Frage 2:
Die Heilerfolge bei Krebserkrankungen sind vor allem von Art und Lokalisation des Tumors sowie vom Tumorstadium abhängig. Insbesondere in Frühstadien von Krebserkrankungen konnten aufgrund des laufenden Fortschritts der medizinischen Forschung bereits gute Behandlungsergebnisse erzielt bzw. die Aussicht auf Heilung erheblich verbessert werden.
Selbstverständlich kann das Erreichte niemals als „befriedigend““ angesehen werden. Vielmehr bedarf es intensiver Forschung, um weitere Verbesserungen zu erreichen.
Zu Frage 3:
Grundsätzlich müssen bei allen wissenschaftlich anerkannten Methoden zur Behandlung von Krebserkrankungen fundierte und reproduzierbare Behandlungserfolge nachgewiesen werden können.
Wenn aufgrund der vorgelegten Daten eine neue Methode erfolgversprechend erscheint, so ist eine Überprüfung ohne Zweifel angebracht. Das vorgelegte Material muß jedoch ein Mindestmaß an Wissenschaftlichkeit aufweisen, um einer weiteren Überprüfung zugeführt zu werden. Eine kritiklose Überprüfung sämtlicher unterbreiteter Vorschläge und Ideen erscheint nicht zielführend.
Zu Frage 4:
Grundsätzlich ist festzuhalten, daß für die Angelegenheiten der wissenschaftlichen Forschung das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung zuständig ist und mein Ressort daher über keine Forschungsmittel verfügt.
Ungeachtet dessen werden aber seit Jahren bestimmte Ludwig-Boltzmann-Institute, die sich mit der Krebsforschung befassen, vom Gesundheitsressort durch Subventionen unterstützt und zwar das Ludwig-Boltzmann-Institut für klinische Onkologie mit S 750.000,- und das Ludwig-Boltzmann-Institut für Leukämieforschung und Haematologie mit S 500.000,- pro Jahr.
Förderungen in der genannten Höhe sind für die beiden Institute auch für 1992 vorgesehen.
Zu Frage 5:
Zur Frage der für die Zulassung von Arzneimittel in meinem Ressort vorhandenen Dienstposten darf ich auf die aus dem geltenden Amtskalender ersichtliche Geschäftseinteilung verweisen. Daraus geht auch hervor, daß eine Aufschlüsselung der Dienstposten nach den in der Frage angeführten Kriterien nicht möglich ist.
Zu Frage 6:
Zu der Frage, ob in Österreich eine ärztliche Behandlung nach den Thesen von Dr. Hamer zulässig ist, ist zunächst festzuhalten, daß gemäß § 1 Abs. 2 iVm § 22 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1984, BGBl.Nr. 373, idgF bei Ausübung des ärztlichen Berufes auf die medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse abzustellen und auf die ärztlichen Berufspflichten Bedacht zu nehmen ist.
Hinsichtlich der Frage der anzuwendenden Behandlungsmethode ist insbesondere § 22 Abs. 1 leg.cit. maßgeblich, demgemäß der Arzt verpflichtet ist, jeden von ihm in ärztliche Beratung oder Behandlung übernommenen Gesunden und Kranken ohne Unterschied der Person gewissenhaft zu betreuen. Er hat hierbei nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung sowie unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.
Jede ärztliche Beratung und Behandlung hat daher grundsätzlich auf Grundlage der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zu erfolgen.
Für eine im Rahmen einer Krankenanstalt vorgenommene ärztliche Behandlung sind weiters § 8 Abs. 2 des Krankenanstaltengesetzes des Bundes – KAG, BGBl.Nr. 1/1957, idgF und die entsprechenden landeskrankenanstaltenrechtlichen Bestimmungen maßgeblich. Danach dürfen ärztliche Behandlungen in Krankenanstalten nur nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft durchgeführt werden.
Die Beantwortung der Frage, was unter den gegebenen Umständen als anerkannte Methode der medizinischen Wissenschaft anzusehen ist, ist im wesentlichen der Verantwortung des behandelnden Arztes oder der behandelnden Ärztin überlassen, wobei im konkreten Fall jedoch naturgemäß nur auf solche Behandlungsverfahren zurückzugreifen sein wird, die in der Fachwissenschaft des Inlandes und Auslandes als klinisch erprobte und erfolgversprechende Behandlungsmethoden anerkannt sind und die in Fällen der betreffenden Art allgemein in einer ordnungsgemäß eingerichteten Krankenanstalt angewendet werden. Bei Vorliegen mehrerer zielführender, entsprechend medizinisch-wissenschaftlich fundierter oder anerkannter Methoden ist die für den Patienten mit dem geringstmöglichen Risiko verbundene Behandlungsmethode zu wählen.
Das Abweichen von anerkannten Methoden zu Gunsten einer in keiner Weise gesicherten, potentiell gefahrenträchtigen Methode stellt einen Verstoß gegen § 22 Abs. 1 des Ärztegesetzes 1984 dar.
Ungeachtet der Problematik genereller und nicht auf den Einzelfall abgestellter Aussagen ist jedenfalls festzuhalten, daß es sich im vorliegenden Fall um eine aus medizinisch-wissenschaftlicher Sicht nicht gesicherte Theorie handelt und daher jedenfalls dann, wenn im Sinne einer Fixierung auf diese Theorie erfolgversprechende anerkannte Behandlungsmethoden versäumt werden, eine solche Behandlung unzulässig wäre.
Zu Frage 7:
Meinem Ressort ist nicht bekannt, daß in Österreich Ärzte Patienten nach den Thesen von Dr. Hamer behandeln.
Zu Frage 8:
Grundsätzlich ist eine Unterscheidung in „Schulmedizin“ und „Alternativmedizin“ nicht zielführend. Im Grunde kann es nur eine Medizin geben, und zwar jene, die geeignet ist, das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren.
Die in der Anfrage genannten Mitglieder werden nach den gesetzlichen Bestimmungen bestellt.
Zu Frage 9:
Oberste Sanitätsrat: 1 Frau
Balneologische Kommission: keine Frau
Arzneibuchkommission: 2 Frauen
Taxkommission: 3 Frauen
Beirat für psychische Hygiene: 4 Frauen
Beirat zur Bekämpfung des Mißbrauches von Alkohol und anderen Suchtmitteln : 5 Frauen
Die vermehrte Berücksichtigung von Frauen ist sicherlich wünschenswert.
Zu Frage 10:
Das Schlagwort des „Methodenwahlrechts“ ist meines Erachtens der Ausdruck einer verkürzten Sichtweite des Problems.
Schon im Rahmen der bestehenden Patientenrechte, insbesondere im Recht auf Aufklärung und Zustimmung und im Recht auf bestmögliche Behandlung, ist der Arzt verpflichtet, Patienten nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Erfahrung und unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften zu betreuen.
Die genannten Rechte schließen selbstverständlich ein, daß auch die Art Behandlung besprochen wird.
Letztendlich sollte jedoch nicht vergessen werden, daß es notwendig ist, im Gespräch zwischen Arzt und Patienten ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, das auf das Wohl des Patienten gerichtet ist und somit den besten Weg zur Heilung darstellt.
Zu Frage 11:
Eine Beurteilung einzelner aus einem Flugblatt zitierter Sätze erachte ich, ohne den Zusammenhang zu kennen, nicht für zielführend.
Beilage
Ausserwinkler
Anmerkung von H. Pilhar
Grundsätzlich müssen bei allen wissenschaftlich anerkannten Methoden zur Behandlung von Krebserkrankungen fundierte und reproduzierbare Behandlungserfolge nachgewiesen werden können.“
Die Reproduzierbarkeit der Schuldmedizin drückt sich lediglich in statistischen Wert aus und hat für das einzelne Patientenschicksal überhaupt keine Aussagekraft!