Thema heute: Die Rückkehr der italienischen Königsfamilie

ROM – Nach 46-jährigem Exil darf ab morgen Italiens gesamte Königsfamilie wieder ihre Heimat betreten.

Von unserem Korrespondenten Thomas Migge

Kurz vor der Rückkehr der Familie Savoya kam es zum Putsch. Geputscht wurde gegen einen König, der kein Reich hat und noch gar nicht in dem Land ist, das sein Großvater einmal regiert hatte. Schlimmer noch: Geputscht hat der Kronrat. Der entschied letzte Woche nach einer längeren Beratung, Vittorio Emanuele di Savoya abzusetzen und stattdessen Amadeo d’Aosta zum möglichen Nachfolger für den italienischen Königsthron zu ernennen.

„Das ist kein Witz“, erklärte Sergio Boschiero. Der elegant in Schwarz gekleidete Römer mit einem Anstecker in der Form einer Königskrone am Revers seines Jackets, ist Sekretär der UMI, der Vereinigung der Monarchisten Italiens. Boschiero begrüßt die Entscheidung des Kronrats. „Das ist eine historische wichtige Entscheidung“, sagte er. „Auch wenn es im Moment keinen Thron gibt, so muß der mögliche Nachfolger doch ein respektabler Mann sein“. Das scheint Vittorio Emanuele nicht zu sein. Sein Cousin Amadeo d’Aosta hingegen, meint Gian Nicola Amoretti, Präsident der UMI, „hat eine weiße Weste.“

Heirat gegen des Vaters Willen

Vittorio Emanuele wird vorgeworfen, mit seinem Lebenswandel nicht auf der Höhe des „monarchischen Anspruchs“ zu sein, so Amoretti. Er heiratete gegen den Willen seines Vaters Marina Doria und erwarb, zusammen mit seinem Sohn, in der internationalen Klatschpresse den Ruf eines Jetsetters. So ein Mann, werden sich die Mitglieder des Kronrats gedacht haben, kann nicht Anspruch auf den Thron erheben.

Italiens savoyentreue Monarchisten sind entsetzt von der Entscheidung des Kronrats. All jene, die sich schon seit Monaten auf die Rückkehr der Familie Vittorio Emanueles freuen und ihn als Oberhaupt des italienischen Adels begrüßen wollen, wissen jetzt nicht mehr, so die römische Prinzessin Elvina Pallavicino, „was hier überhaupt Sache ist“.

Ab dem 15. Oktober dürfen Vittorio Emanuele und seine Frau Marina Doria sowie der gemeinsame Sohn Emanuele Filiberto in die Heimat zurückkehren. In eine Heimat, in die die beiden Männer der Familie bisher nie einen Fuß setzen durften. Das untersagt die italienische Verfassung. Sie verbannt die männlichen Mitglieder des italienischen Königshauses ins Exil. Gegen diese Entscheidung hatte die im Schweizer Exil lebende Familie schon seit Jahrzehnten protestiert, zuletzt auch vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Erst Ministerpräsident Silvio Berlusconi erhörte den Protest. Gegen den Protest vieler Antimonarchisten – darunter die Kommunisten und zahlreiche Intellektuelle – entschied sich eine parlamentarische Mehrheit für die Rückkehr der Königsfamilie nach Italien. Damit ist das Exil beendet, das 1946 seinen Anfang nahm. Nach einer Volksabstimmung zu Gunsten der Republik hatte damals der letzte König Umberto II. Italien verlassen.

Die Entscheidung des Parlaments ist unter den Italienern heftig umstritten. Eigentlich hätte Vittorio Emanuele vor seiner Rückkehr offiziell verkünden müssen, dass er nur als einfacher Bürger nach Italien kommt und keinen Anspruch auf die Krone erhebt. Genau das aber tat er nicht. Dass er bereits verkündete, unter Umständen auch in die Politik zu gehen, beunruhigt viele Antimonarchisten.

Aber nicht nur Republikaner finden die Rückkehr gar nicht gut. „Was wollen die bei uns, die haben sich doch politisch unter Mussolini vollkommen diskreditiert“, schimpft Cano di Borbone, Chef des Hauses der neapolitanischen Borbonen. Er führt die adeligen Familien des ehemaligen Königreiches beider Sizilien an, zu dem auch Neapel gehörte, das von den Savoyern bei der italienischen Nationalstaatsbildung in den 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts kassiert wurde.

Freude bei den „Paparazzi“

Carlo di Borbone will Vittorio Emanuele nicht willkommen heißen. Um gegen dessen Ankunft zu protestieren, hat er sich sogar mit seinem bisherigen Erzfeind zusammengetan, mit Gerardo Motta, neapolitanischer Philosoph und Präsident der antiborbonischen „Jakobiner“. Der Aristokrat und der Philosoph bezeichnen in einer gemeinsamen Erklärung die Savoya als „philofaschistisch“ und erklären sie zu unerwünschten Personen in Neapel.

Auch in Rom billigen nicht alle Aristokraten die Rückkehr der piemontesischen Königsfamilie. „Die haben uns ja damals im 19. Jahrhundert erobert“, erklärt Lillo Sforza Ruspoli, Angehöriger der so genannten „schwarzen Aristokratie“, die aus Trauer über die Eroberung Roms durch die Savoya und die Auflösung des Kirchenstaates die Pforten ihrer Paläste mit schwarzen Tüchern verhängten. Leute wie Ruspoli haben den Savoyern „nie verziehen, dass sie sich gegen den Papst stellten und sich mit Mussolini einließen“.

Wer also begrüßt die zurückkehrende Königsfamilie außer einigen getreuen Adelsfamilien? „Eigentlich nur wir und unsere Kunden“, erzählt sichtlich erfreut Sandro Malizzi, „Paparazzo“ in Rom. „Viele meiner Kunden, das sind Klatschzeitungen, haben bereits Hofberichterstatter ernannt, die den Savoyern in Italien nachspüren sollen“.

Für die so genannte „Yellow Press“ eignen sich die drei Heimkehrer ausgezeichnet. Vittorio Emanuele ist mit seinen undurchschaubaren Geldgeschäften schon seit langem eine willkommenes Thema der Medien. Seine Frau Marina Doria ist wegen ihrer Shopping-Spaziergänge und ihrer Parties allen Lesern von Klatschspalten ein Begriff und Emanuele Filiberto, bisher Bankangestellter in Genf, macht immer wieder mit seinen Frauengeschichten von sich reden. „Das sind Leute“, frohlockt Fotograf Malizzi, „die ein wenig mehr Glanz in das von Berlusconi dominierte Italien bringen – Glanz und Klatsch und all das, was sich ausgezeichnet verkaufen lässt“.

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