Medienprozeß Pilhar ./. TV-Media wegen „Randalieren“ – BERUFUNGSAUSFÜHRUNG
16.07.1997
DR. GOTTFRIED KORN
DR. PETER ZÖCHBAUER
RECHTSANWÄLTE
An das
Landesgericht St. Pölten
Schießstattring 6 3100 St. Pölten
31 EVr 75/97
Hv 1/97
Antragsteller:
Ing. Helmut Pilhar
2724 Hohe Wand
Maiersdorf 221
vertreten durch:
Dr. Rudolf Gürtler
Mag. Erich Rebasso
Rechtsanwälte
Antragsgegnerin:
TV-Media VerlagsgmbH
3430 Tulln
Königstetterstraße 132
vertreten durch:
RECHTSANWÄLTE
DR. GOTTFRIED KORN
DR. PETER ZÖCHBAUER
(Vollmacht erteilt)
wegen: §6ff MedienG
BERUFUNGSAUSFÜHRUNGEN
In umseits bezeichneter Medienstrafsache wurde uns das erstinstanzliche Urteil von 23.5.1997 am 18.6.1997 zugestellt. In offener Frist fuhren wir die in der Hauptverhandlung vom 23.5.1997 angemeldete
BERUFUNG
wegen Schuld, Nichtigkeit und Strafe an das OLG Wien aus wie folgt:
I. Berufung wegen Schuld
1. Bedeutungsgehalt
Das Erstgericht stellt den Sinngehalt der inkriminierten Äußerung „randalieren“ als ein Verhalten fest, bei welchem jemand vorsätzliche Beschädigungen von Sachen vornimmt, sich sonst in ungebührlicher Weise ungestüm benimmt, tätlich aggressiv gegen andere Personen wird und verbal in besonders unangenehmer Weise ausfällig wird (ON 11,8).
Damit füllt es diesen Begriff jedoch mit einem bei weitem aggressiveren, gewalttätigeren und zerstörerischer Bedeutungsgehalt aus, als er diesem richtigerweise zukommt. Ja das Erstgericht formuliert sogar schärfer, als dies der Privatankläger aus dem Duden, wenn auch unter falscher Klammersetzung und damit ebenfalls verstärkend zitiert. Nach Duden, Deutsches Universalwörterbuch bedeutet randalieren sohin „Lärm machen, grölen [u. dabei andere stark belästigen od. mutwillig Sachen beschädigen, zerstören]“. Nach diesem Lexikon reicht also für die Qualifikation als „randalieren“ die Verursachung von Lärm.
Nun ist bei der Ermittlung des Bedeutungsgehaltes eines in einer Zeitung aufgestellten Vorwurfes aber nicht auf abstrakte Definitionen, sondern auf die Auffassung des Durchschnittslesers abzustellen (OLG Wien 14.2.1994, 21 Bs 421/93). Es sind nur jene Auslegungsvarianten eines Textes zurechenbar, die sich aus dem Wortlaut ergeben und dem Leser im Gesamtzusammenhang des Artikelinhaltes vermittelt werden (Hager/Walenta, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht3, E 18b).
Betrachtet man nun den Gesamtzusammenhang, in den die inkriminierte Äußerung eingebettet war, so wird berichtet, daß die Eltern von Olivia nach Lektüre des ersten Drehbuchentwurfs über die Geschichte ihrer Tochter ihre Einwilligung in die Verfilmung entrüstet zurückgenommen hätten. Einerseits hätte sie die Darstellung des Geerd Hamer erbost. Zweiter Kritikpunkt wäre gewesen, daß dem Antragsteller unterstellt würde, gegen andere Personen Hand angelegt zu haben, seiner Tochter Injektionsnadeln herausgerissen zu haben und daß dies voll und ganz das Unverständnis zeige.
Zuvor wird im Artikel bereits im Fettdruck die Wortfolge „Habe niemals meiner Tochter Injektionsnadeln herausgerissen“ hervorgehoben. Und danach wird berichtet, daß diese Szene daraufhin, also aufgrund der Kritik, gestrichen wurde.
Für den durchschnittlichen Medienempfänger wird daraus klar, daß die Szene deshalb gestrichen wurde, da sie eben nicht authentisch war, also deshalb, weil es eben nicht stimmte, daß der Antragsteller an andere Personen Hand angelegt und Injektionsnadeln herausgerissen hat. Wenn also daran anschließend berichtet wird, daß der Antragsteller im Krankenhaus Tulln randaliert hätte, so kann randalieren in diesem Zusammenhang nur etwas bedeuten, das ein Minus zu Handanlegen und Injektionsnadeln herausreißen ist. Dies zumal überdies mitzuberücksichtigen ist, daß sich die Leser unserer Zeitung an die von uns gepflogene saloppe Ausdrucksweise bereits gewöhnt haben (Hager/Walenta, aaO, E 13).
Im Gesamtzusammenhang mit dem Artikelinhalt konnte der Medienempfänger das Wort „randalieren“ nur dergestalt verstehen, daß der Antragsteller sich etwas lautstark und eher ungehobelt verhalten halt. Daraus wird dem Antragsteller auch kein Vorwurf gemacht. Es ist in Hinblick darauf, daß er das Leben seines Kindes für gefährdet hielt und die diesem zuteil gewordene Behandlung für schlecht erachtete und in Anbetracht dessen, was er bereits hinter sich hatte (Flucht mit seinem Kind nach Spanien, Ergreifung durch die Polizei, Entzug der Vormundschaft) auch nur allzu verständlich.
Der korrekten Feststellung des Sinngehalts der inkriminierten Äußerung kommt deshalb Bedeutung zu, da der Vorwurf, sich lautstark und eher ungehobelt zu verhalten, in Anbetracht der angespannten Situation, in der der Antragsteller auch nach dem bereits bestehenden Vorverständnis unserer Medienkonsumenten war, keineswegs als unehrenhaft oder gegen die guten Sitten verstoßend zu qualifizieren wäre. Daß sich ein Vater in äußerster Anspannung und Sorge um das Wohl seines Kindes, dem seiner Meinung nach Übles passiert, lautstark und ungehobelt benimmt, tut seiner sozialen Wertschätzung sicher keinen Abbruch. Im Gegenteil. Ein ehrenrühriges Verhalten wurde dem Antragsteller damit gewiß nicht vorgeworfen.
Beweis: beiliegender Auszug aus dem Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Verlesung des gesamten Bezugsartikels.
2. Unrichtige Beweiswürdigung
2.1.
Das Erstgericht stellt fest, daß nicht feststellbar wäre, ob der Antragsteller gedroht hätte, im Falle der Zwangstherapie die Infusionen aus dem Körper seiner Tochter zu entfernen (ON 11,5).
Das Erstgericht legt hiezu im Rahmen der Beweiswürdigung nicht offen, wie es zu dieser Nichtfeststellbarkeit kam. Es legt also nicht offen, weshalb es Herrn Dr. Heinz Zimper, der ausdrücklich bestätigte, daß der Antragsteller gedroht hätte, die Infusionen gewaltsam zu entfernen, wobei er nur nicht wußte, ob der Antragsteller Herausreißen oder Entfernen der Infusionsnadeln gesagt hatte, weniger Glauben schenkt, als dem Antragsteller selbst. Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als Dr. Heinz Zimper ein an diesem Verfahren völlig unbeteiligter und am Ausgang desselben vollkommen desinteressierter Zeuge ist, der keinerlei Grund hat, Wahrnehmungen in die eine oder andere Richtung zu färben. Und daß Herr Dr. Zimper seine Aussage auch so meinte, wie er sie getätigt hat, geht auch aus seinem Aktenvermerk vom 27.7.1995, in den das Erstgericht Einsicht genommen hat (ON 7, 4f), hervor, wonach er damals, als es noch frisch war, festgehalten hat, daß der Antragsteller mit dem Herausreißen von Infusionen u.a. drohe. Der Antragsteller hingegen, hat einerseits ein massives Eigeninteresse am Obsiegen in diesem Verfahren, da er daraus ja Entschädigungsbeträge lukrieren möchte und andererseits zum Entfernen der Infusionen keine gesicherten Wahrnehmungen, da er dies nur „glaubte“.
Bei richtiger Beweiswürdigung hätte das Erstgericht daher festzustellen gehabt, daß der Antragsteller gedroht hat, im Fall einer Zwangstherapie die Infusionen seiner Tochter gewaltsam zu entfernen. Diese Feststellung ist deshalb entscheidungswesentlich, da es mit ein Beweis ist, daß die inkriminierte Äußerung wahr ist.
2.2.
Das Erstgericht stellt fest, daß der Antragsteller, um sich Gehör zu verschaffen, laut an die Tür des Vernehmungszimmers klopfte und seiner Frau zurief, sie sollte nicht aussagen. Das Erstgericht folgt dabei den Angaben des Antragstellers und vermeint offenbar, daß diese mit den Aussagen des Zeugen Zimper übereinstimmen, da dieser seine Angabe, der Antragsteller hätte gegen die Tür „getrommelt“, abgeschwächt habe. Bei näherem Besehen hat Herr Dr. Zimper überhaupt nichts abgeschwächt. Wirft man einen Blick auf das Verhandlungsprotokoll (ON 11, 3) so hat der Zeuge Zimper zunächst auf Befragen, ob der Antragsteller ein Verhalten gesetzt hätte, das man als randalieren bezeichnen könne, gemeint, er hätte gegen die Tür des Vernehmungszimmers getrommelt. Hier wurde von Antragstellerseite (offenbar, aus der Art der Antwort ersichtlich) nachgefragt, ob man dies nicht als „klopfen“ bezeichnen könne, woraufhin der Zeuge seine Aussage dahin bekräftigte, daß er erklärte, daß er bewußt das Wort „trommeln“ gewählt hat. Wörtlich: Ich habe gesagt, daß der AS an die Tür getrommelt und nicht geklopft hat, da ich es als sehr störend und fordernd empfunden habe und es kein höfliches Anklopfen gewesen ist. Überdies war es verbunden mit der Aufforderung nicht auszusagen.“‘
Entgegen den Ausführungen des Erstgerichts, das die Aussage des Zeugen verkürzt und damit verfälscht zitiert, wurde damit keineswegs die Aussage, daß der Kläger „getrommelt“ hat abgeschwecht, sondern vielmehr bekräftigt.
Dies ist angesichts der auch vom Erstgericht erkannten sehr erregten, angespannten bis aufs äußerste Limit belasteten Situation (ON 11, 5) bei weitem lebensnäher als ein „lautes Klopfen“. Dies zumal der Antragsteller selbst ausgeführt hat, daß er auch versucht hat, die Tür aufzumachen, wobei er nur nicht gewußt hat, ob die Tür damals versperrt oder nur zugehalten wurde und er sofort von einem Polizisten abgedrängt worden wäre (ON 10, 6). Stellt man sich diese Situation vor, in der ein Vater, der sein Kind vor – seiner festen Überzeugung nach – falschen Behandlungsmethoden schützen will, mit diesem bereits nach Spanien geflohen ist, mit Gewalt zurückgeholt wurde, im Krankenhaus wiederum mit von ihm für das Kind als höchst bedrohlich empfundenen Behandlungsmethoden konfrontiert wird, eine Zustimmung erteilt und dann widerrufen hat und der seine Gattin schließlich bei der Vernehmung von einer Aussage abhalten möchte, so ist es wenig wahrscheinlich, daß er nur laut klopft. In diesem Fall wäre ja wohl die Polizei nicht eingeschritten. Bei lebensnaher Beweiswürdigung hätte das Erstgericht aufgrund der Aussage des Zeugen Zimper festzustellen gehabt, daß der Antragsteller gegen die Tür des Verhandlungszimmers getrommelt hat und seiner Frau zuschrie, daß sie die Aussage verweigern solle. Auch diese Feststellung wäre entscheidungswesentlich, da sie ebenfalls belegt, daß die inkriminierte Äußerung wahr ist.
2.3.
Wir haben bereits in erster Instanz die Einvernahme des Zeugen Bernd Pflughaupt, der für den inkriminierten Artikel recherchiert hat, zum Beweis der Wahrheit der inkriminierten Äußerung beantragt. Das Erstgericht ist diesem Beweisantrag nicht gefolgt (vgl Pkt II.l). Im Rahmen der Schuldberufung beantragen wir demnach erneut die Einvernahme des Zeugen Bernd Pflughaupt, 1020 Wien, Obere Donaustraße 11, der für den inkriminierten Artikel und damit auch für die inkriminierte Äußerung recherchiert hat, zum Beweis dafür, daß der Antragsteller im Krankenhaus Tulln randaliert hat.
II. Berufung wegen Nichtigkeit
1. Nichtigkeit gem §§ 489 Abs 1. 468 Abs 1 iVm 281 Abs 1 Z 4 StPO
Wir haben in der Hauptverhandlung vom 4.4.1997 die Einvernahme des Zeugen Bernd Pflughaupt zum Beweis der Wahrheit beantragt und offengelegt, welche Beweisnähe dieses Beweismittel hatte. Das Erstgericht hat den Zeugen Pflughaupt auch ursprünglich geladen und demnach seine Einvernahme für durchaus relevant erachtet, da der Zeuge Pflughaupt aber zur Verhandlung nicht erschien, hat das Erstgericht de facto auf seine Einvernahme verzichtet. Es hat zwar die Vernehmungsprotokolle verlesen, in diesem Verfahren wurde der Zeuge Pflughaupt aber zu anderen Vorwürfen befragt. Da das Erstgericht mithin über einen relevanten Antrag nicht erkannt hat, haftet dem Urteil Nichtigkeit gern § 281 Abs 1 Z 4 StPO an.
2. Nichtigkeit gern §§ 489 Abs 1. 468 Abs 1 ivM 981 Abs 1 Z 9 lit.a SIPO
Das Erstgericht hat rechtsirrig verkannt, daß selbst unter Zugrundelegung des von ihm festgestellten Sinngehalts des Begriffes „randalieren“ ein ehrenrühriges Verhalten iSd § 111 StGB nicht gegeben ist. Denn man darf eins nicht übersehen: (Zumindest) ganz Österreich hat dazumal das Schicksal der Familie Pilhar mitverfolgt. Durch die umfangreiche Berichterstattung und nicht zuletzt aufgrund der vom Antragsteller und seiner Gattin verkauften Filmrechte ist das Schicksal der kleinen Olivia notorisch. Der Medienkonsument weiß daher, daß der Antragsteller das Heil seiner Tochter bei Geerd Hamer zu finden dachte, daß er sie aus den Fängen der Schulmedizin befreien wollte und mit ihr nach Spanien geflohen ist. Es ist notorisch, daß ihm aufgrund der Divergenzen mit den Behörden die Obsorge für Olivia entzogen wurde und daß selbst im Spital Polizeischutz u.a. deshalb beigestellt wurde, um eine erneute Entführung zu verhindern. Es ist mithin in unserer Leserschaft allgemein bekannt, daß der Antragsteller aus der Sorge um seine in Lebensgefahr befindliche Tochter getrieben wurde. Es mag nun sein, daß der Medienkonsument inhaltlich dafür keine Verständnis aufbringen kann, daß man einem Wunderheiler mehr traut als der Schulmedizin. Doch Verständnis dafür, daß ein Vater sein Kind mit allen Mitteln, notfalls auch mit Gewalt, mit vorsätzlicher Beschädigung von Sachen, tätlich aggressiv und ungestüm beschützen und aus den Händen derer bringen möchte, von denen er für das Kind Schaden ortet, bringt der durchschnittliche Medienkonsument allemal auf. In Anbetracht der Ausnahmesituation ist ein solches Verhalten rechtsrichtig betrachtet, keineswegs eines, das nach der durchschnittlichen Auffassung sozial integrierter wertbewußter Menschen verpönt wäre oder den allgemeinen Anstand empfindlich verletzen würde.
Darüber hinaus handelt es sich beim Vorwurf des „Randalierens“ um ein winzig kleines Details im Gesamtzusammenhang der Entführung und dem Entzug der Vormundschaft, die schließlich auch zur Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung und Entführung geführt hat. Wollte man davon ausgehen, daß durch die Entführung des eigenen Kindes aus der Überzeugung für das Kind das Beste zu tun, die soziale Wertschätzung bei wertintegrierten Menschen empfindlich beeinträchtigt wird, so kann das unwesentliche Detail, im Zuge dessen zu randalieren, die Ehre nicht zusätzlich belasten. IdS hält das OLG Wien auch fest, daß die Schilderung einer bloßen Modalität eines komplexen Tatgeschehens vollends in den Hintergrund tritt, und keine weitere ins Gewicht fallende Schädigung der Ehre des solcherart Angesprochenen bewirkt (OLG Wien vom 14.12.1994, 27 Bs 454/94).
Da die inkriminierte Äußerung rechtsrichtig betrachtet nicht ehrenrührig ist, hat das Erstgericht rechtsirrig verkannt, daß keine in die Zuständigkeit der Gerichte gehörige strafbare Handlung verwirklicht wurde und das Urteil daher mit Nichtigkeit gern § 281 Abs 1 Z 9 lit.a StPO belastet.
3. Nichtigkeit nach §§ 489 Abs 1, 468 Abs 1 iVm 281 Abs 1 Z 9 lit.b StPO
1.
Selbst wenn man aber von einer Ehrenrührigkeit der inkriminierten Äußerung ausgehen wollte, so wurde auch dafür der Wahrheitsbeweis erbracht. Das Erstgericht verkennt in diesem Zusammenhang rechtsirrig eins: Der Wahrheitsbeweis ist erbracht, wenn die Behauptung in ihrem wesentlichen Aussagegehalt, im Aussagekern, dh in den tragenden Fakten aber nicht notwendig in sämtlichen Einzelheiten als wahr erwiesen wird (Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Bd F, Rz 10).
Das Erstgericht stellt nun fest, daß der Antragsteller kein Mitspracherecht bei der Behandlung seiner Tochter mehr hatte, daß er gesagt hätte, im Falle einer Zwangstherapie die Fenster einzuschlagen, daß er zunächst die Zustimmung erteilte und dann widerrief, daß er bei der gerichtlichen Vernehmung seiner Gattin laut an die Tür zum Vernehmungszimmer klopfte und seiner Frau zurief, sie sollte nicht aussagen, daß von der Pflegschaftsbehörde erhebliche Sicherungsmaßnahmen eingeleitet wurden, da befürchtet wurde, daß er in die Behandlung seiner Tochter eingreifen könnte, daß er sehr angespannt und erregt und bei der Auswahl seiner Worte nicht zimperlich war und daß er schließlich seine Gattin anwies, vors Krankenhaus zu gehen und dort lauthals zu schreien, daß hier ihr Kind umgebracht werde. Selbst vom Begriffverständnis des Erstgerichtes aus, wonach randalieren u.a. dann vorliegt, wenn sich jemand in ungebührlicher Weise ungestüm benimmt, wäre bereits mit den getroffenen Feststellungen der Wahrheitsbeweis erbracht.
Da das Erstgericht dies rechtsirrig verkennt, haftet dem Urteil Nichtigkeit gern § 281 Abs 1 Z 9 lit.b StPO an.
III. Berufung wegen der Höhe der Entschädigung
1.
Das Erstgericht erkennt richtig, daß die erlittene Kränkung nicht besonders gravierend ist. Dennoch spricht es dem Antragsteller einen Entschädigungsbetrag von öS 20.000,- zu. Dies ist bei weitem zu hoch.
Bei der Bemessung des Entschädigungsbetrages nach § 6 Abs 1 MedienG sind Umfang und Auswirkung der Veröffentlichung mit dem objektiven Gewicht der anspruchsbegründenden Straftat und deren sozialen Störwert gleichzusetzen (Foregger/Litzka, MedienG3, § 6, Erl 1). Der soziale Störwert der Äußerung, der Antragsteller hätte im Krankenhaus Tulln randaliert, ist nun im Verhältnis zum Gesamtgeschehen rund um den Antragsteller, das ganz Österreich und damit auch unsere Medienkonsumenten mitverfolgt haben, vernachlässigbar gering.
Im Vergleich dazu, daß er mit seinem Kind nach Spanien geflohen, mit Polizei zurückgebracht, im Spital Sicherheitsschutz aus Angst, daß er das Kind wiederum entführen würde, installiert werden mußte, ihm schließlich die Vormundschaft entzogen und er wegen fahrlässiger Körperverletzung und Kindesentführung verurteilt wurde, ist der Vorwurf des Randalierens nicht einmal ein Tröpfchen im Teich.
Die §§ 6 ff MedienG normieren zivilrechtliche Entschädigungsansprüche, die ideelle Nachteile bzw immateriellen Schaden abgelten sollen. Der Umstand, daß der Antragsteller im Krankenhaus Tulln randaliert hat, verursacht daher gewiß keine über die bekannten Umstände hinausgehende Kränkung. Wollte man daher schon einen Entschädigungsbetrag zuerkennen, hätte es das Erstgericht bei einem symbolischen Betrag im Bereich unter öS 5.000,– bewenden lassen müssen.
IV. Anträge
Wir stellen mithin an das OLG Wien den
ANTRAG,
unserer Berufung wegen Nichtigkeit Folge zu geben, das angefochtene Urteil aufzuheben und die medienstrafrechtlichen Anträge abzuweisen, in eventu die Medienstrafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen;
in eventu
im Sinn unserer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld die Beweise nach Verlesung des Akteninhaltes umzuwürdigen, in eventu das Beweisverfahren antragsgemäß zu ergänzen, das angefochtene Urteil aufzuheben und in der Sache selbst die medienrechtlichen Anträge abzuweisen, allenfalls die Medienstrafsache zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens an das Erstgericht zurückzuverweisen;
in eventu
unserer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folge zu geben und die Entschädigungszahlung auf einen symbolischen Betrag im Bereich unter öS 5.000,– herabzusetzen,
in jedem Fall aber
auszusprechen, daß der Antragsteller die Verfahrenskosten zu ersetzen hat.
Wien, am 16. Juli 1997
TV-Media VerlagsgmbH