Krebsheiler oder Mörder

Zwischen Himmel und Hölle

Ein Bericht von Hannes M. Pum

Immer wieder tauchen sie auf, die Krebsheiler, angebetet von geheilten Patienten, verachtet und verfolgt von der Schulmedizin, jedenfalls umstritten und niemals für den Außenstehenden durchschaubar. Einer dieser Krebsheiler kam in den letzten Wochen fast täglich in die Schlagzeilen, es ist der 59jährige Deutsche Geerd Hamer.

In Erlangen studierte Hamer Physik, Theologie und Medizin, er betätigte sich auch als Erfinder. Mehr als 30 Patente nennt er sein eigen. Vor 38 Jahren heiratete er die Ärztin Sigrid, aus dieser Ehe gingen vier Kinder hervor. Eines davon, Sohn Dirk, wurde 1978 während eines Urlaubes in Korsika angeschossen. Der junge Mann erlag nach neunzehn Operationen und 800 Litern Bluttransfusionen vier Monate später dieser Verletzung. Kurz darauf erkrankte Dr. Hamer an Hodenkrebs, er wurde nach den Regeln der Schulmedizin operiert und geheilt.

Für Hamer war der Tod seines Sohnes ein tiefes Schockerlebnis und das wiederum die Ursache für seine Krebserkrankung. Dazu erzählt. er:

„Daß mein Sohn erschossen wurde, hat mich auf dem falschen Fuß erwischt. Bis dahin war ich ein gewöhnlicher Schulmediziner. Dann habe ich mir überlegt, du bist früher nie ernstlich krank gewesen, auf einmal hast du diesen Krebs. Da muß es einen Zusammenhang geben mit dem Tod meines Sohnes. In München habe ich dann 200 Patienten in einer Krebsklinik daraufhin untersucht, ob das bei denen auch so war. Ich stellte fest, die meisten von ihnen haben auch ein Schockerlebnis gehabt. Meine Neue Medizin beruht darauf, daß es drei Ebenen gibt: die Psyche, das Gehirn, die Organebene. Der Krebs, jede Krankheit überhaupt, entsteht immer bei einem Schockerlebnis. Und dieses Schockerlebnis ist nicht irgendeines, sondern hat einen ganz bestimmten Inhalt. Und dieser Inhalt bestimmt in der Sekunde des Schocks, wo dieser Konflikt einschlägt und die Stelle des Organs, wo wir diesen Krebs haben. Der Schock löst auf allen drei Ebenen Wirkungen aus. Auf der Organebene wachsen entweder Zellen oder gehen Zellen zugrunde. Im Gehirn gibt es ebenso Spuren des Konflikts. Wir können diesen Verlauf im Gehirn fotografieren. Ich kann dann sagen, wenn im Gehirn eine Stelle zu sehen ist, ob diese Stelle in Lösung ist oder ob sie aktiv ist. So können wir Patienten gezielt behandeln. Die Leute haben überhaupt keine Panik mehr, denn sie wissen, das war der oder der Konflikt und der ist in Lösung. Die Behandlung besteht darin, daß wir den konkreten Konflikt lösen und den Patienten helfen, durch diese Heilungsphase zu kommen. Das machen wir auch mit Medikamenten, bei den meisten schweren Fällen.“

Seit 1990 wirkt Geerd Hamer im Schloß der kleinen steirischen Gemeinde Burgau in der Nähe von Waltersdorf. Dieses Schloß wurde von der Gemeinde saniert, Hamer benützt dort mehrere Räume für eine Monatsmiete von 7000 Schilling. Diese Räume hat er sich selbst saniert, er hält darin Seminare. An Wochenenden nehmen gelegentlich etwa 200 Leute an solchen Seminaren teil. Jeder Teilnehmer bezahlt 1500 Schilling. Daneben verkauft Hamer über einen eigenen Verlag seine Bücher, vier Titel sind bislang erschienen. Einer der Seminarteilnehmer und Hamer-Freund erzählt dazu:

„Hamer ist kein Scharlatan, kein Spinner, kein Guru und auch kein Sektenführer. Er ist so, wie man sich einen guten Arzt wünscht. Warmherzig, zuwendend und umfassend gebildet. Was hat sich ereignet im Fall der kleinen Olivia? Sie wurde wie ein Fisch ans Trockene geschwemmt, sie fühlte sich allein, ungeliebt und nicht beachtet. Hamer bezeichnet das als Flüchtlingskonflikt, sie hat gelitten, weil sie sich alleingelassen gefühlt hat. Das war ihr Konflikt, daher die Erkrankung. Nun hat sie die Eltern bei sich, fühlt sich wohl und geliebt, der Konflikt ist beseitigt. Wie weit allerdings die äußeren Verhältnisse die Heilphase beeinträchtigen, das kann man unter diesen besonderen Umständen nicht sagen. Olivia braucht Ruhe und keinen neuen Konflikt. Wenn sie nämlich in ihrer ansetzenden Heilungsphase operiert wird, dann stirbt sie wahrscheinlich weg. Dann bleibt sie am Operationstisch liegen. Hamer ist davon überzeugt, daß man von zehn Operationssälen sieben schließen könnte, das ist ja das Problem, das die Schulmedizin mit ihm hat. Klar ist, daß sich auch die Pharmaindustrie gegen seine Thesen wehrt. Das Geheimnis Hamers: Er gibt den Kranken Hoffnung. Die Schwierigkeit besteht nun darin, daß, wenn er jetzt recht hat, viele Patienten zu ihren Ärzten sagen würden: warum habt ihr mich mit Chemie vollgepumpt, warum habt ihr mich verstümmelt? Seit 1981 gilt Hamer der Schulmedizin als Ketzer, die ärztliche Zulassung wurde ihm entzogen. Ein Kesseltreiben setzte gegen ihn ein. Dann starb seine Ehefrau, jetzt berät er in Köln und in Burgau Krebskranke.“

Erstaunlicherweise hat Hamer selbst unter Menschen Freunde, in deren Familie der Krebs tödlich zugeschlagen hat und denen auch Hamer nicht helfen konnte. Empört weist Brigitte Huszar, 50, die Behauptung zurück, daß ihre Tochter, die am 6. Juli 1991 im Alter von 21 Jahren an Leukämie gestorben ist, auf der „Todesliste“ des Heilers steht, wie eine Tageszeitung behauptet hat und dort als „Der Fall Dunja H.“ bezeichnet wurde. Frau Huszar:

„Als wir 1987 erfuhren, daß Dunja Leukämie hat, kannten wir Dr. Hamer nicht. Er kam erst 1990 mit uns in Berührung. Dunja war damals 17 Jahre alt, sie war schwanger und wollte das Kind unbedingt haben. Die Ärzte sagten ihr, sie würde noch vier Jahre lang leben, und dies auch nur dann, wenn sie kein Kind kriegt. Dunja wollte nicht abtreiben, und so bekam sie das Kind, und sie bekam noch ein zweites Baby. Sie liebte die Kinder, sie wollte Mutter sein, und sie hoffte, daß ihr das Kraft geben würde. Und doch fragte sie mich jeden Tag: Mama, muß ich wirklich bald sterben? Zehn Tage nach der zweiten Geburt hatte sie einen Blutsturz. Daraufhin begann ihre Milz zu wachsen. Als Dr. Hamer den Fall kennenlernte, wollte er, daß sie in Belgien operiert wird. Aber sie war schon zu schwach für die Operation. Die zweite Geburt hatte ihr die letzte Kraft genommen. Dr. Hamer hat Dunja Kraft gegeben. Ich bin davon überzeugt, hätte er sie früher kennengelernt, dann hätte er sie retten können. Ich bin empört, wenn heute irgend jemand sagt, Dr. Hamer macht das alles nur, um Geld zu verdienen. Wahr ist, daß er viel Geld ausgegeben hat, um Dunja zu helfen, und ich habe ihm niemals Geld gegeben. Viele kommen erst zu ihm, nachdem sie x-mal eine Chemotherapie gemacht haben, wenn sie schon verloren sind. Dann kann Dr. Hamer natürlich auch nicht mehr helfen. Meine Enkelkinder, die Kinder von Dunja, Steven, 7, und Lesley, 5, leben heute beim Vater. Für mich ist Dr. Hamer jedenfalls kein Betrüger.“

In Burgau besuchte die WOCHE den Bürgermeister Hermann Wallner, 52, um herauszufinden, was in dem Schloß nun wirklich vorgeht. Wallner:

„Am besten, ich erzähle Ihnen die Wahrheit über einen Fall, der mich ganz persönlich betrifft. Meine Frau erkrankte 1989 an Leukämie. Das wurde ambulant im LKH Graz festgestellt. Ein Jahr lang ließ sich Erna, 54, daraufhin schulmedizinisch betreuen. Nichts wurde besser. Dann bekamen wir ein Buch von Dr. Hamer in die Hand, den wir damals noch nicht kannten.“

Und Erna Wallner ergänzt:

„Ab März 1991 habe ich keine schulmedizinische Behandlung mehr gehabt. Dafür habe ich viele Gespräche mit Dr. Hamer geführt. Sein Zugang zur Heilung wurde mir vertraut. Heute geht es mir gut. Im Jahr 1993 hatte ich einen Zusammenbruch und wurde ins LKH Fürstenfeld gebracht. Dort hat man mich großartig betreut. Doch ohne die Neue Medizin von Dr. Hamer hätte ich es nicht geschafft. Er ist kein Wunderheiler, er bietet einen guten Weg zur Heilung.“

Bürgermeister Wallner:

„Was die kleine Olivia anlangt, so hat mir Dr. Hamer gesagt, daß er glaubt, ihr Leben noch retten zu können. Wir sind hier alle sehr bestürzt, daß ihn die Schulmedizin so jagt, denn durch diese Hetzjagd kommt sicher auch die arme Olivia in eine schlimme Situation. Das kann bei ihr einen zweiten Konflikt auslösen. Wer wird die Konsequenzen tragen?“

Doch nicht alle Bürger von Burgau stehen uneingeschränkt auf der Seite von Dr. Hamer. Hannelore Mendl, 46, Hausfrau, meint:

„Es gibt eben zwei Richtungen, die einen verehren Dr. Hamer, die anderen sehen ihn als Kurpfuscher. Ich hatte Gebärmutterkrebs und ging zur Schulmedizin. Aber ich sage auch ja zur Alternativmedizin. Bei Olivia habe ich eine große Sorge. Es geht nämlich nicht mehr um das Kind, und das finde ich ganz tragisch. Es geht nur noch um den Streit Schulmedizin gegen Neue Medizin. Und das Kind bleibt dabei auf der Strecke. Medizinische Richtungen sollten nicht streiten, sondern Leben retten.“

Inzwischen hat die steirische Ärztekammer der Staatsanwaltschaft in Wiener Neustadt in einer Sachverhaltsdarstellung die Fälle von neun Patienten, denen Hamer von einer Behandlung abgeraten hat und die danach verstorben sind, zur strafrechtlichen Begutachtung vorgelegt. Auf der Suche nach weiteren Opfern der Neuen Medizin des Geerd Hamer wurde eine eigene Telefonnummer installiert, über die der Ärztekammer vertraulich berichtet werden kann.

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