AKH:

Während der Nacht war Olivia mehrfach munter und stöhnte laut, schlief aber immer wieder rasch ein. Gegen 7:00 Uhr morgens musste ich ihr den Topf ans Bett bringen, dann schliefen wir bis 8:15 Uhr, bis uns eine Schwester, welche das Frühstück brachte, weckte.

Etwas später wurde bei Olivia die übliche, morgendliche Blutprobe genommen. Da ihre Infusionen noch nicht zur Gänze leer waren, musste der Arzt ein zweites mal am Vormittag kommen und sie dann von der künstlichen Ernährung abhängen.

Routinegemäß wurde ihre Körpertemperatur und Körpergewicht erfasst. Sie hatte 37,05° C und 22,9 kg.

Die Zeit bis zum Abhängen der Infusionen nützte Olivia zum Fernsehen. Ein Frühstück nahm sie morgens nie zu sich. Dies war auch durch die ununterbrochene künstliche Ernährung von ca. 2 Litern während der Nacht verständlich.

Meistens kam die Lehrerin zu uns ins Zimmer, um Olivia zum Unterricht abzuholen. Eine neue Regelung war getroffen worden. Ab nun ging der Schulunterricht bis 11:00 Uhr und anschließend bis 11:30 Uhr die Physiotherapie.

Es hatte sich eingebürgert, dass wir mit Olivia um 11:30 Uhr das AKH verließen, um nach Hause zu fahren. Heute, als ich den Ausgangsschein holen wollte, eröffnete mir eine Ärztin, dass Olivias Leukozyten (weiße Blutkörperchen) einen kritischen Wert von 1000 erreicht hätten. Es sei somit unbedingt erforderlich, dass Olivia einen Mundschutz tragen müsste. Auch die roten Blutkörperchen seien auf ein gefährliches Maß gesunken, könnten aber durch ein spezielles Medikament wieder hochstimuliert werden. Dieses Medikament musste Olivia somit noch vor unserer Heimreise gespritzt werden.

Abgesehen von der Unmöglichkeit, noch rechtzeitig unseren Zug nach Hause zu erwischen, war ich von den Eröffnungen der Ärztin betroffen. Seit Tagen war es Olivia dermaßen gut gegangen, dass wir große Zuversicht hatten. Jetzt wurde ich wieder auf den Boden der Realität zurückgestoßen.

Wir holten uns den Mundschutz und fuhren heim. Noch nie musste Olivia bisher Mundschutz tragen! Der Mundschutz machte nun auf der Straße noch mehr Menschen auf Olivia aufmerksam als sonst. Sehr viele schienen sie zu erkennen.
Während der Heimreise erkannte ich dunkle Ringe um Olivias Augen. Diese verfluchte Chemo! Dieses Gift lässt einem keine Chance!

Zurück im AKH kam Herr Dr. Zevaluschi, um die künstliche Ernährung wieder an den ständigen Herzkatheder bei Olivia anzuschließen. Begleitet wurde er von einer Schwester. Üblich waren zwei große Flüssigkeitsbeutel, einer mit einer gelben, wässrigen Lösung, der andere mit einer weißen Fettlösung und eine große Spritze mit einer farblosen Flüssigkeit. Die Flüssigkeiten der Beutel wurden über jeweils eine volumetrische Infusionspumpe und die der Spritze über einen Perfusor Olivia zugeführt.

Alles war übliche Routinearbeit. Die Schwester hängte die Beutel an den zweimetrigen Ständer und spannte die weichen Kunstoffschläuche in die Pumpen ein. Die Spritze klemmt sie in den Perfusor und legte die drei Enden der Schläuche dem Arzt bereit, damit dieser sie an den Herzkatheder anschließen konnte. Dazu musste sich der Arzt feine Plastikhandschuhe anziehen, damit der Verteiler auch nach der Entfernung der Schutzumwicklung keimfrei blieb.

Ich lag neben Olivia auf ihrem Bett und beobachtete den Vorgang. Dabei fiel mir auf, dass in einem der Schläuche mehrere Luftblasen waren, und noch bevor ich den Arzt darauf aufmerksam machen konnte, verließ er nach Fertigstellung des Anschlusses das Zimmer, da er über sein Piepserl gerufen worden war. Ich machte die Schwester auf die Lufteinschlüsse aufmerksam. Sie erklärte, nochmals den Arzt zu rufen und stellte die Pumpen wieder ab.

Nach gut einer Stunde kam wieder eine Schwester vorbei, diesmal eine andere, welche anscheinend über den Sachverhalt informiert worden war. Sie teilte mir mit, dass in Bälde der Arzt kommen werde. Eine Ärztin kam und schloss den bewussten Schlauch wieder ab und ließ die Luft entweichen, dann steckte sie diesen wieder in den Verteiler. Auch sie hatte hierfür dünne Plastikhandschuhe angezogen. Die Schwester hatte bei diesem Vorgang die Aufgabe, den Verteiler von der Schutzhülle zu befreien, diesen dann in der Schutzumhüllung offen niederzulegen und nach getaner Arbeit des Arztes ihn wieder fest mit keimfreien Wickeln zu umbinden. Diesmal klappte aber auch die Arbeit der Krankenschwester nicht. Nachdem die Ärztin das Zimmer verlassen hatte, vergaß die Schwester, ihre Arbeit zu Ende zu führen und ging ebenfalls. Der Verteiler lag in seiner alten, nassen Umwicklung, ohne mit einem Klebeband umwickelt worden zu sein. Olivia blickte mich vorwurfsvoll an und sagte: „Schau Papa! Jetzt haben sie wieder vergessen, den Verteiler zu umwickeln. Einfach schlampig!“

Wir riefen nochmals die Schwester.

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