Oh Wunder! Morgens war die Schwellung zurückgewichen. Olivia hatte eine ruhige Nacht. Überhaupt machte sie einen guten Eindruck. Sie hatte überhaupt keine Schmerzen und war quietschvergnügt. Wir könnten wieder hoffen. Gerald erzählt von einem deutschen Geistheiler namens Schuster. Dieser rief an und ohne zuvor mit Gerald über den jetzigen Zustand von Olivia gesprochen zuhaben, bestätigte er, dass ein wesentlicher Schritt in der Heilung gelungen wäre. Er erklärte, er hätte von Olivia irgendetwas abnehmen und auf sich selbst lenken können. Deshalb sei er auch zur Zeit fürchterlich müde und kraftlos.

Ich war beeindruckt. Was ging hier vor sich? Gerald, Karin und Herr Schuster sprachen von etwas Gewaltigem, dessen Existenz ich bisher streng geleugnet hatte. Jesus, Gott, allumfassende Liebe. Dämonen, Seele, Schwüre, Magie… Mir persönlich war Geistheilung suspekt, aber wenn ich zu mir selbst ehrlich war, musste ich zugeben, dass ich, ohne darüber Bescheid zu wissen, dies einfach nur als Unsinn ablehnte. Woher, so sagte ich mir, nahm ich mir dieses Recht? Dass es mehr zwischen Himmel und Erde gab, als wir Menschen wahrnehmen und verstehen konnten, musste ich eingestehen.

Und geschah zur Zeit nicht auch das gleiche mit der Neuen Medizin? Gut, die Neue Medizin ist gegenüber der sog. Geistheilung real, verständlich und begreifbar, aber doch lässt sie eine wichtige Frage außer Acht: Warum traf es gerade Olivia? Alexander ist älter, Elisabeth ist jünger als Olivia. Alle hatten aber das gleiche Schicksal, den gleichen Lebenslauf zu ertragen. Warum also hatten Alexander und Elisabeth keinen Krebs? Auch sie mussten doch ihre Mutter vermisst haben? Auch sie wurden von der gleichen Großmutter bekocht. Die Ursache ist sicherlich auch wieder in der unterschiedlichen Psyche der Kinder zu finden.

Aber warum sind die „Psychen“ der Kinder unterschiedlich? Olivia zeigte bereits eine große Begabung im Schreiben und Lesen, obwohl sie noch in den Kindergarten ging. Sie stand im raschen Entziffern und Buchstabieren von Wörtern Alexander, mit seiner Schulausbildung aus der ersten Volksschulklasse, kaum nach. Wieso konnte Olivia bereits so gut mit Buchstaben umgehen? Wir hatten sie dazu überhaupt nicht angehalten.

Erklärbar wurde dies für mich aufgrund der erfahrenen Persönlichkeitsschulung. Jeder Mensch hat nach dieser Auffassung ja bereits Erfahrungen aus verschiedenen Vorleben gesammelt. Diese sind wie auf einer großen Festplatte eines Computers in der menschlichen Seele gespeichert und durch gewisse Ereignisse oder Umstände im Leben kann man auf diese bereits gemachten Erfahrungen zurückgreifen. Auch scheinbar unauslöschlich eingebrannte Verhaltensmuster können so immer wieder wie Reaktionen und leider auch ungewollt zum Vorschein kommen. Meine Persönlichkeitsschulung hatte ja den Zweck gehabt, solche Verhaltensmuster zu erkennen und bei Unbrauchbarkeit gezielt aufzulösen.

Mit diesem Wissen wurde mir auch Olivias mögliche seelische Vorbelastung bewusster. Ich war erwachsen und konnte meine Konflikte mit meinem Intellekt lösen. Olivia war ein Kind und brauchte eine reale Konfliktlösung, d.h. sie musste real ihre Mutter wieder zur Verfügung haben.

Je mehr ich über geistige Gesetze und Neue Medizin nachdachte, desto klarer wurde mir, dass sie sich ergänzten. Die Neue Medizin fängt mit dem embryonalen Leben im Mutterleib an und endet mit dem Tod. Von einer spirituellen Ebene her betrachtet, umfasst eine „geistige Heilung“ dagegen die ganze Zeitdauer eines Seelenlebens.

Es fiel mir wieder mein bisheriger Atheismus ein und er kam mir als absoluter Nonsens vor. Mir wurde bewusst, dass ich mich in einem persönlichen Umbruch befand, dessen Folgen noch nicht absehbar waren. Neugierig wollte ich mehr erfahren.

Ich hörte mir die Ausführungen von Gerald an. Er war geduldig und schien zu wissen, wovon er sprach. Vieles war mir bekannt, viel Wissen lag tief und fest in mir. Ich wusste schon immer, dass eine böse Tat irgendwann einmal auf einen zurückfällt. Deshalb versuchte ich ein gutes und gerechtes Leben zu führen. Aber warum? Warum war ich nicht verlogen, selbstsüchtig oder sonst irgendwie unmenschlich? Oft hatte mich diese Einstellung um persönliche Vorteile gebracht. Warum war ich kein Bösewicht? Warum war mir Unrecht ein Gräuel? Vom Blickwinkel eines Atheisten aus betrachtet, ergab meine Einstellung zum Leben und zu meinen Mitmenschen immer einen übergeordnetes Ziel vor, das eigentlich keinen logischen Grund hatte. Mit dem Tode war das Leben ja sowieso vorbei. Eigentlich war ich kein Atheist, ich wollte bloß einer sein!

Es gab interessante Zusammenhänge, die Gerald erklären konnte, und diese Erklärungen deckten sich mit den Aussagen von Heidis Persönlichkeitsschulung, und ich spürte, sie waren korrekt. Die Vorstellung, wir alle seien Seelen in einem vorübergehenden Körper, die in ihren verschiedenen „Leben“ Erfahrungen sammelten, Probleme lösten und immer wieder versuchten, zur Wahrheit oder zum Licht zurückzukehren, um sich endlich zu vergeistigen, gab meinem derzeitigen Leben eine vollkommen neue Dimension. Olivia war demnach also eine Seele, die Verwicklungen aus ihrem Vorleben nun zu lösen hatte. Wir Eltern und alle Involvierten, wie Ärzte, Behörden, Verwandte spielten hierbei eine wesentliche, wenn auch unterschiedliche Rolle.

Unsere Elternrolle müsste neu überdacht werden. Erika ließ sich oftmals willenlos vom kindlichen Ego ihrer Kinder leiten. Sie war oft nicht fähig, verschiedenem Drängen der Kinder standzuhalten. Dies zu ändern war ihre Aufgabe. Eltern haben die Aufgabe, ihre Kinder zu leiten und nicht allen ihren Wünschen nachzugeben. Olivia befand sich im Konflikt mit ihrem männlichen und weiblichen Prinzip. Es war ihr nicht möglich, ihre männliche Seite zu akzeptieren und dadurch gelangte sie nicht in Harmonie. Meine Aufgabe bestand nun darin, Olivias Liebe zu ihrem männlichen Prinzip zu wecken. Die mütterliche Fürsorge sollte mehr durch väterliche Ersetzt werden. Nichts war mir lieber als das. Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Überlegungen fanden wir in ihren Zeichnungen. Sie malte vorwiegend Prinzessinnen. Erst später kamen männliche Bildnisse dazu.

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