Als wir am Morgen in Wien ankamen, erklärte ich Erika euphorisch, mit Olivias Genesung nach der Neuen Medizin, die etablierte Schulmedizin bis in die Grundfesten erschüttern zu können.

Sicherheitshalber wollten wir die nächsten Kontroll-CTs bereits in 14 Tagen anfertigen lassen. Mein erster Weg war zu einer Telefonzelle. Ich wollte abchecken, ob zu Hause auch alles in Ordnung sei oder ob vielleicht jemand von St. Anna- Kinderspital bereits nachgefragt hatte, wo wir blieben. Meine Schwägerin Veronika konnte mich aber beruhigen, es war bisher kein Anruf erfolgt.

Wir fuhren nach Meidling und bestiegen den Zug nach Wr. Neustadt. Zufällig trafen wir meine Tante Traude im Abteil. Sie konnte die Neuigkeiten kaum fassen und wir mussten unbedingt zu meiner Großmutter mit nach Winzendorf kommen. Auch die Großmutter weinte vor Freude. Sie alle hatten sich fürchterliche Sorgen gemacht als sie vom Schicksal Olivias erfuhren. Mein Onkel Joschi, Sohn meiner Großmutter und Bruder von Tante Traude, verstarb vor zwei Jahren an der Chemotherapie. Zu tief saß noch der Schmerz über den Tod ihres Sohnes und auch meine Tante hatte diesen Verlust noch nicht vergessen.

Wir erzählten vorerst noch nicht von unserem neuen Wissen über die Neue Medizin und deren Sichtweise gegenüber der etablierten schulmedizinischen Krebstherapie. Wir wollten keine alten Wunden aufreißen. Umso mehr freuten wir uns gemeinsam, dass Olivia dieses Schicksal erspart zu bleiben schien.

Zu Hause in Maiersdorf riefen wir sofort sämtliche Verwandte an, um sie über die neue Diagnose zu informieren. Meine Eltern besuchten wir persönlich. Auch sie waren begeistert, vor allem meine Mutter. Vater schien skeptisch. Sein Verhalten leuchtete mir auch ein. Er verteidigte mit Euphorie die neuesten, gentechnischen Entdeckungen und ignorierte völlig, dass diese Technik absolut unzulänglich und ohne die Folgen ihrer Eingriffe abschätzen zu können, einen überaus gefährlichen Weg beschreitet. Gleichzeitig wird diese Technik aber niemals die Perfektion der Natur erreichen können.

Die erste Konfrontation mit öffentlichen Stellen ließ nicht lange auf sich warten.

Nach Auskünften meiner Schwägerin versuchte nachmittags Dr. Mann bereits mehrmals mich zu erreichen. Nervös versuchte ich mich an alles zu erinnern, was Dr. Hamer uns empfohlen hatte und in meiner Ratlosigkeit rief ich Frau Dr. Rostovsky an, um sie um Rat zu bitten. Sie konnte mir einen Rechtsanwalt Dr. Kleiner empfehlen, der bereits ihrer Freundin in Auseinandersetzungen mit der Krankenkasse erfolgreich geholfen hatte. Weiters empfahl sie mir, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen. Sie wusste auch von einem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit, in welchem steht, dass sämtliche Zytostatika im Verdacht stehen, krebserregend zu sein. Dieses Schreiben wird sie versuchen zu organisieren.

Telefonat mit Herrn Dr. Mann:

Er drängte darauf, Olivia wieder im Spital zu haben und wiederholte seine Prognosen, korrigierte sie aber dahingehend, dass bei Einsatz der Chemo ein Erfolg mit nunmehr 90% wahrscheinlich wäre, er uns aber, wegen unserer Abneigung, zu einer sofortigen Operation raten würde (40-50%). Weiter versicherte er uns, dass keine körperlichen Schäden Olivia verbleiben würden, im Speziellen würde ihre spätere Fruchtbarkeit nicht darunter leiden. Er empfahl mir ein Gespräch mit Herrn Prof. Gadner am kommenden Montag. Er drohte abermals mit rechtlichen Schritten, sollten wir nicht erscheinen.

Ich log, Olivia in eine andere Klinik verlegt zu haben, die von einer sofortigen Chemotherapie abraten würde. Ich gab vor, den Namen der Klinik geheim zu halten. Dr. Mann schien mir nicht zu glauben und äußerte die Vermutung, wir wären bei Dr. Hamer in Behandlung.


Nun erkannte ich, dass wirklich mit Schwierigkeiten zu rechnen sei und telefonierte mit dem von Dr. Hamer empfohlenen Hofrat aus Graz, der seine Frau durch schulmedizinische Krebstherapie verlor, selbst an Krebs erkrankte, jedoch sofort zur Neuen Medizin Vertrauen hatte und vollständig gesundete (siehe „Celler- Dokumentation“). Dieser Hofrat riet mir, nur mit Hilfe eines Anwalts weiter vorzugehen.

Auch Dr. Hamer rief ich an und holte seinen Rat ein. Dieser empfahl mir, mit Olivia Herrn Dr. Stangl in Tulln aufzusuchen, ein zweites ärztliches Attest einzuholen und dieses mit seiner Habilitationsarbeit dem St. Anna-Kinderspital eingeschrieben zu schicken.

Olivia verhielt sich den ganzen Tag über normal, nur abends klagte sie wieder über leichte Bauchschmerzen. Wir gaben ihr die homöopathischen Mittel, und da wir nun mehr Einblick in das Krebsgeschehen hatten, konnten wir auch besser mit Olivia umgehen und waren nicht gleich wegen jeder Äußerung ihrerseits, Schmerzen zu haben, außer Rand und Band.

Alexander, unser Sohn, drängte schon längere Zeit, doch einmal im Garten zu zelten. An diesem Abend erfüllte ich seinen Wunsch und er war vor Begeisterung kaum zu bändigen. Wir polsterten das Zelt mit Bettzeug aus und plauderten noch bis er entschlummerte.

Ich überdachte die Situation. Im Vordergrund standen für mich nun die Kinder. Was hatte ich nicht immer für wichtige Angelegenheiten zu erledigen! Der Beruf, die Abendschule und jetzt wollten wir auch noch Haus bauen! Habe ich nicht meine Kinder vernachlässigt? Habe ich nicht überhaupt meine ganze Familie hinten angereiht? War ich wirklich die ganze Zeit so egoistisch, nur an meine persönliche Selbstfindung zu denken? Anscheinend! Und ich merkte nicht, besser gesagt, ich wollte das Leiden meiner Kinder und vor allem das Leiden von Olivia nicht ernst nehmen. Immer wieder erklärte ich, Elisabeth schafft es, Alexander schafft es, also muss auch Olivia über kurz oder lang verstehen, dass Erika nun arbeiten gehen muss. Wie idiotisch! Wie soll ein Kind verstehen, dass seine Mutter plötzlich weniger Zeit für es hat? Wie idiotisch war ich, bei diesem grausamen Gesellschaftsspiel um Anerkennung mitzutun? Wie viele Kinder mögen Ähnliches leiden?

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